Das Wesen der Magersucht oder der Todestrieb Slavoj Žižeks

Gemütlich erscheint das vorbewusste Streben, fort und fort zu bestehen, in jener Idee, die Trieb heißt. Da nun von allem, was uns bewusst ist, sein Gegenteil vorstellbar sein muss, zerfällt auch der Trieb in die Gegensätze Lebens- und Todestrieb. Diese widersprechen sich nicht, sondern sind begriffliche Kehrseiten derselben organischen Bewegung, welche in ihnen protoideologisch wirkt….

Der Schüchterne weiß etwas . . .

. . . das der Nicht-Schüchterne nicht weiß: dass unser Selbst sich nämlich nicht darstellen lässt – dass es Schwachsinn höheren Grades erfordert, nicht schüchtern zu sein – dass gerade die Unvertretbarkeit unseres Selbsts der einzige Anhaltspunkt ist, den wir für seine Bedeutung haben.

Warum es keine Psychosynthese gibt, nur Psychoanalyse

Die Psychoanalyse versöhnt mit dem Halbfertigen, predigt die Erlösung durch Abstieg. In dem Entdecken seines Zerfallenseins erlebt sich das Selbst neu als Mensch. Der psychoanalytische Abbau würdigt das Stückwerk – nicht die Glätte – als Wesen des Daseins. Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen 107: “Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der…

Das Wesen der Postmoderne . . .

. . . ist weniger der Relativismus, als die Betonung des Unausgesprochenen. Damit überhaupt etwas gesagt wird, kann nie alles ausgesprochen werden. Der postmoderne Vormarsch erinnert an den notwendig verschwiegenen Teil jeder Bedeutung, das Zwischendenzeilen, den Staub, der übrig bleibt, nachdem saubergemacht wurde.

Felix Culpa

“So braucht der Christ Ironie, um den Teufel zu züchtigen”, lese ich gerade bei Hamann, ein merkwürdiger deutscher Autor und Freund Immanuel Kants, der sich Sorgen um dessen Seelenheil machte, während dieser Hamann für unbedacht hielt. Hamann fasste Gott als einen Ironiker auf, der sich “sabbernd” seiner Schöpfung nähert, um, so maskiert, diese zu sich…

Platos Gastmahl – letzter Satz

“Und zwar zuerst sei Aristophanes eingeschlafen, dann aber, als es schon heller Tag war, auch Agathon. Sokrates aber sei, nachdem er sie so in den Schlaf geredet, aufgestanden und fortgegangen . . .”

Dreifaltigkeit

Bei der Vorbereitung meines im übrigen in Deutschland einmaligen Seminars “Erfolgreich Fernsehkrimis schreiben” bin ich im Werk der sehr erfolgreichen Krimi-Klassikerin und Theoretikerin, aber auch Dante-Übersetzerin und Theologin Dorothy Sayers, einer so hässlichen wie leidenschaftlichen Frau, auf den merkwürdigsten und inspirierendsten Titel “Homo Creator” (auf Deutsch) gestossen: Sayers Deutung der Dreifaltigkeit – die, wie ich…

Alles halb so wild

The great source of both the misery and disorders of human life, seems to arise from overrating the difference between one permanent situation and another… Some of those situations may, no doubt, deserve to be preferred to others: but none of them can deserve to be pursued with that passionate ardour which drives us to…

Was ist Denken?

Ludwig Wittgenstein BEMERKUNGEN ÜBER DIE PHILOSOPHIE DER PSYCHOLOGIE Ich suche mir wieder irgendeinen Eintrag nach Zufall heraus: 184 – und tippe ohne Verständnis: “Wir können natürlich sein ‘Denken’ von der Tätigkeit nicht trennen. Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der denkenden Rede.” Hier geht es wohl, nehme ich mal an,…

Hegels & Wittgensteins Kernpunkte

HEGEL fasst sein ganzes Denken inmitten der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes zusammen in folgendem Satz:  ‚Es kömmt nach meiner Einsicht, welche sich durch die Darstellung des Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken.‘  WITTGENSTEIN sagt an ähnlich versteckter Stelle mitten in der…

Goethe über Gott

»Wenn man die Leute reden hört,« sagte Goethe, »so sollte man fast glauben, sie seien der Meinung, Gott habe sich seit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen, und der Mensch wäre jetzt ganz auf eigene Füße gestellt und müsse sehen, wie er ohne Gott und sein tägliches unsichtbares Anhauchen zurechtkomme.  In religiösen und…

Nietzsches philosophisches Programm

Mein neuer Weg zum »Ja«. – Philosophie, wie ich sie bisher verstanden und gelebt habe, ist das freiwillige Aufsuchen auch der verabscheuten und verruchten Seiten des Daseins. Aus der langen Erfahrung, welche mir eine solche Wanderung durch Eis und Wüste gab, lernte ich Alles, was bisher philosophirt hat, anders ansehn: – die verborgene Geschichte der Philosophie, die Psychologie…

Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.

Das Leben kein Argument. – Wir haben uns eine Welt zurechtgemacht, in der wir leben können – mit der Annahme von Körpern, Linien, Flächen, Ursachen und Wirkungen, Bewegung und Ruhe, Gestalt und Inhalt: ohne diese Glaubensartikel hielte es jetzt keiner aus zu leben! Aber damit sind sie noch nichts Bewiesenes. Das Leben ist kein Argument;…

Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?

. . . schreibt Paulus im Ersten Korintherbrief – eine bemerkenswerte Feststellung, denn Glieder sind nicht Mitglieder, keines gleicht dem anderen. Jeder Mensch ist – als “Glied Christi” – also unersetzlich, nicht kraft seiner Individualität, sondern als Bestandteil von etwas Größerem, dem sonst seine Vollkommenheit abgehen würde. Wir Menschen wären dann gleich kraft unseres Beitrags,…

Der Ernst des Handwerks

Redet nur nicht von Begabung, angeborenen Talenten! Es sind große Männer aller Art zu nennen, welche wenig begabt waren. Aber sie bekamen Größe, wurden »Genies« (wie man sagt), durch Eigenschaften, von deren Mangel niemand gern redet, der sich ihrer bewußt ist: sie hatten alle jenen tüchtigen Handwerker-Ernst, welcher erst lernt, die Teile vollkommen zu bilden,…

Träume sind Zahnschmerzen

Ludwig Wittgenstein ist sicher der Philosoph, der am meisten über Zahnschmerzen nachdenkt. Sie werden unentwegt herangezogen als Beispiel für „innere Zustände“. Insofern stehen sie auf derselben Ebene wie z. B. Absichten, Vorstellungen, Gedanken, Erinnerungen, Hoffnungen, Meinungen, welche sich alle – wie Zahnschmerzen – von Häusern, Autos, Wolken oder Pferden dadurch unterscheiden, dass man sie z….

Heraklit

Ein Philosoph, den ich so ganz wie gar nicht verstehe und, obwohl eigentlich anderes dran wäre, im Kopf herumwälze. Hier der sagenhafte 50te Satz seiner Fragmente: „Habt ihr nicht mich, sondern mein Wort vernommen, ist es weise zuzugestehen, dass alles eins ist.“ Deutung 1: Indem wir sprechen, macht alles Sinn. Deutung 2: Wenn ich rede,…

Wittgenstein über das Denken

Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit “Gedanke” das Lebende am Satz. Das, ohne welches er tot, …eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist. Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d.h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet, was könnte ich da…

Französische Philosophen in einem Satz

LACAN ortet im Unter|Bewußtsein keine Erlebnisse, sondern Deutungen. FOUCAULT steckt jede Epoche der abendländischen Geschichte ab als Bewußtseins- oder Wissensblase, die bestimmte Dinge auf Kosten anderer sicht- und aussprechbar macht. DERRIDA baut vor allem Widersprüche ab, welche das westliche Denken verzerren, indem sie einer Seite eines dialektischen Begriffspaares mehr Rechte vor ihren Gegenteil einräumen. DELEUZE…