Ich komme von der Arbeit nach Haus, da tritt ein junger Mann auf mich zu. Unverschämt erkundigt er sich nach den Umständen meines Lebens, doch bald finde ich Gefallen an meinem Gerede. Wir kommen auf die Leute zu sprechen. Ich gebe ihm meine präzise Definition meiner Freunde und Bekannten. Z. B. Frau K., die jeden…
Kategorie: Lesebuch
Karl Philipp Moritz
ANTON REISER Wie groß ist die Seligkeit der Einschränkung, die wir doch aus allen Kräften zu fliehen suchen! Sie ist wie ein kleines glückliches Eiland in einem stürmischen Meere; wohl dem, der in ihrem Schoße sicher schlummern kann, ihn weckt keine Gefahr, ihm drohen keine Stürme. Aber wehe dem, der von unglücklicher Neugier getrieben, sich…
A Vision of the Last Judgement
Error is Created. Truth is Eternal. Error, or Creation, will be Burned up, & then, & not till Then, Truth or Eternity will appear. It is Burnt up the Moment Men cease to behold it. I assert for My Self that I do not behold the outward Creation & that to me it is hindrance…
Wintermärchen (III, 3)
BÖHMEN, EINE WÜSTE GEGEND AM MEER (Antigonus kommt mit einem Bündel, dass ein Baby enthält, welches er aussetzen soll) ANTIGONUSKomm, armes Kind: –Ich hörte wohl, doch glaubt’ ich’s nicht, die GeisterVerstorbner gingen um: wenn’s wahr, erschien mirHeut nacht wohl deine Mutter, denn kein TraumGleicht so dem Wachen. Zu mir kommt ein Wesen,Das Haupt bald rechts,…
Nächtlicher Ausgang
Unser Dorf liegt in den Feldern, weiter draußen aber steht das Haus des Schrankenwärters. Seine Schmalheit, seine drei Stockwerke, seine Vereinzelung lassen es wie einen Turm erscheinen. In drei Tagen wird die Ernte eingebracht, jetzt hört man noch den Wind im reifen Kornfeld. Kurz bevor wir schlafen müssen, wollen wir noch den Abendzug sehen. Die…
Frank O’Connor DIE KÖNIGSKINDER
Ich habe nie begriffen, was an den Romanen von Charles Dickens übertrieben sein sollte. Bis heute kann ich die Geschichte irgendeines Straßenjungen lesen, der in Armut und Elend aufwächst und sich als verschollener Sproß einer Königsfamilie herausstellt, ohne mich im geringsten darüber zu wundern. Mir kommt das ganz natürlich vor. Als Mutters Liebling wurde mir…
Sigmund Freud, Zur Psychologie des Gymnasiasten
Man hat ein sonderbares Gefühl, wenn man in so vorgerückten Jahren noch einmal den Auftrag erhält, einen »deutschen Aufsatz« für das Gymnasium zu schreiben. Man gehorcht aber automatisch wie jener ausgediente Soldat, der auf das Kommando »Habt Acht!« die Hände an die Hosennaht anlegen und seine Päckchen zu Boden fallen lassen muß. Es ist merkwürdig,…
Johann Peter Hebel “Die Juden”
Der Text von Johann Peter Hebel ist ein satirischer Brief, in dem er jüdische Bräuche und deren Anpassung an die europäische Kultur beschreibt, dabei humorvoll die Unterschiede zwischen orientalischen und europäischen Lebensweisen hervorhebt und kritisch auf nordische Arbeitsmoral und Bildung eingeht.
Gogol “Brief an die Zarin”
ACH, IHR ALTEN ZEITEN! Welch eine Freude, welch eine Lust dringt ins Herz, wenn man hört, was vor langer, langer Zeit, deren Jahr und Monat niemand angeben kann, in der Welt geschah! Wenn aber irgendein Verwandter, ein Großvater oder Urgroßvater, in die Geschichte verwickelt ist, so ist es aus: mag mir der Lobgesang auf die…
Paris ojaja
Oja! Auch ich war in Parih Oja! Ich sah den Luver Oja! Ich hörte an der Sehn die Wifdegohle-Rufer Oja! Ich kenn die Tüllerien Oja! Das Schöhdepohme Oja! Ich ging von Notterdam a pjeh zum Plahs Wangdohme Oja! Ich war in Sackerköhr Oja! Auf dem Mongmatter Oja! Ich traf am Mongpahnass den Dichter Schang Poll…
D. H. Lawrence “The Woman who Rode Away
I She had thought that this marriage, of all marriages, would be an adventure. Not that the man himself was exactly magical to her. A little, wiry, twisted fellow, twenty years older than herself, with brown eyes and greying hair, who had come to America a scrap of a wastrel, from Holland, years ago, as…
D. H. Lawrence “The Hopi Snake Dance”
The Hopi country is in Arizona, next the Navajo country, and some seventy miles north of the Santa Fé railroad. The Hopis are Pueblo Indians, village Indians, so their reservation is not large. It consists of a square track of greyish, unappetizing desert, out of which rise three tall arid mesas, broken off in ragged…
Guy de Maupassant “Liebe”
Aus dem Tagebuch eines Jägers Ich habe eben unter den vermischten Nachrichten einer Zeitung ein Liebesdrama gelesen. Er hat zuerst sie getötet und dann sich. Also liebten sie sich. Was gehen er und sie mich an? Nur ihre Liebe interessiert mich, nicht, weil sie mich rührt oder wunder nimmt, weil sie mich bewegt oder nachdenklich…
Platos Gastmahl – letzter Satz
“Und zwar zuerst sei Aristophanes eingeschlafen, dann aber, als es schon heller Tag war, auch Agathon. Sokrates aber sei, nachdem er sie so in den Schlaf geredet, aufgestanden und fortgegangen . . .”
Alberto Moravia über die Unfruchtbarkeit des Leidens
In nicht allzuweit zurückliegenden Zeiten hat eine ganze Roman- und Aufsatzliteratur versucht, die erzieherischen und schöpferischen Vorzüge des Leidens aufzuzeigen. Es war beinahe zu einem Gemeinplatz geworden: Das Leiden verhilft zu einem besseren Verständnis des Lebens; das Leiden macht den Menschen menschlicher und aufgeschlossener; das Leiden erhöht das schöpferische Vermögen. Diese Literatur beruhte auf…
Kain und Abel
Adam schlief mit seiner Frau Eva, und sie wurde schwanger, gebar den Kain. “Gott” sagte sie, “hat mir einen Sohn geschenkt.” Sie fuhr fort und gebar den Abel, seinen Bruder. Abel wurde Schäfer, Kain Ackerbauer. Nach einiger Zeit opferte Kain ein paar Feldfrüchte, Abel brachte Gott Lämmer seiner Herde, obendrein Fett. Gott gefiel, was ihm…
Der vollkommenste Tag der Welt
Es war gegen Ende meiner Landstreichertage, wenn man mich fragte, in welchem Jahr, welchem Monat, an welchem Nachmittag, ich wüsste keine Antwort. Ich kann nur sagen, dass es der vollkommenste Tag der Welt war, und dass ich ihn deswegen im Gedächtnis bewahrt habe, jenseits von Zeit und Wirklichkeit. Jeder Mensch hält so einen Tag in…
Ausklang eines bengalischen Romans
Apus Gedanken kehrten zurück zu jenem längst vergangenen Sommertag: Er und seine Schwester hatten im Freien nach einem Kälbchen gesucht, und sie waren weiter gegangen, um die Eisenbahn zu sehen. Sie waren so gerannt, dass sie ganz außer Atem gerieten. Wie andres damals alles ausgeschaut hatte. Die Bäume entlang der Gleise von Asharu nach Durgapur…
Das öde Land
1 – Die Bestattung der Toten April ist der grausamste Monat, brütetFlieder aus totem Grund, mischtErinnerung mit Sehnsucht, wecktTaube Wurzeln mit Frühlingsregen.Der Winter hielt uns warm, bedeckteDie Erde mit achtlosem Schnee, fütterteDas karge Leben mit strohigen Knollen.Der Sommer überfiel uns, vom Starnberger See kommend,Mit einem Regenschauer; wir hielten inne unter den KolonnadenUnd gingen ins Sonnenlicht,…