In schwierigen Angelegenheiten, nach Weise der alten Germanen, auch die Weiber zu Rathe zu ziehn, ist keineswegs verwerflich: denn ihre Auffassungsweise der Dinge ist von der unsrigen ganz verschieden und zwar besonders dadurch, daß sie gern den kürzesten Weg zum Ziele und überhaupt das zunächst Liegende ins Auge faßt, über welches wir, eben weil es vor unserer Nase liegt, meistens weit hinwegsehn; wo es uns dann Noth thut, darauf zurückgeführt zu werden, um die nahe und einfache Ansicht wieder zu gewinnen. Hiezu kommt, daß die Weiber entschieden nüchterner sind, als wir; wodurch sie in den Dingen nicht mehr sehn, als wirklich da ist; während wir, wenn unsere Leidenschaften erregt sind, leicht das Vorhandene vergrößern, oder Imaginäres hinzufügen.
Aus der selben Quelle ist es abzuleiten, daß die Weiber mehr Mitleid und daher mehr Menschenliebe und Theilnahme an Unglücklichen zeigen, als die Männer: hingegen aber im Punkte der Gerechtigkeit, Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit, diesen nachstehn. Denn in Folge ihrer schwachen Vernunft übt das Gegenwärtige, Anschauliche, unmittelbar Reale eine Gewalt über sie aus, gegen welche die abstrakten Gedanken, die stehenden Maximen, die festgefaßten Entschlüsse, überhaupt die Rücksicht auf Vergangenheit und Zukunft, auf Abwesendes und Entferntes, selten viel vermögen.
Demgemäß wird man als den Grundfehler des weiblichen Charakters Ungerechtigkeit finden. Er entsteht zunächst aus dem dargelegten Mangel an Vernünftigkeit und Ueberlegung, wird zudem aber noch dadurch unterstützt, daß sie, als die schwächeren, von der Natur nicht auf die Kraft, sondern auf die List angewiesen sind: daher ihre instinktartige Verschlagenheit und ihr unvertilgbarer Hang zum Lügen. Denn, wie den Löwen mit Klauen und Gebiß, den Elephanten mit Stoßzähnen, den Eber mit Hauern, den Stier mit Hörnern und die Sepia mit der wassertrübenden Tinte, so hat die Natur das Weib mit Verstellungskraft ausgerüstet, zu seinem Schutz und Wehr, und hat alle die Kraft, die sie dem Manne als körperliche Stärke und Vernunft verlieh, dem Weibe in Gestalt jener Gabe zugewendet. Die Verstellung ist ihm demnach angeboren, deshalb auch fast so sehr dem dummen, wie dem klugen Weibe eigen. Von derselben bei jeder Gelegenheit Gebrauch zu machen ist ihm daher so natürlich, wie jenen Thieren, bei Angriff, sogleich ihre Waffen anzuwenden, und empfindet es sich dabei gewissermaßen als seine Rechte gebrauchend. Darum ist ein ganz wahrhaftes, unverstelltes Weib vielleicht unmöglich. Eben deshalb durchschauen sie fremde Verstellung so leicht, daß es nicht rathsam ist, ihnen gegenüber, es damit zu versuchen. – Aus dem aufgestellten Grundfehler und seinen Beigaben entspringt aber Falschheit, Treulosigkeit, Verrath, Undank u. s. w. Der gerichtlichen Meineide machen Weiber sich viel öfter schuldig, als Männer. Es ließe sich überhaupt in Frage stellen, ob sie zum Eide zuzulassen sind. – Von Zeit zu Zeit wiederholt sich überall der Fall, daß Damen, denen nichts abgeht, in Kaufmannsläden etwas heimlich einstecken und entwenden.
Arthur Schopenhauer