Nach dem Abitur hatte ich wie jeder normale deutsche Student seit dem Mittelalter ein katastrophales Verhältnis zu Rechtschreibung, zu schweigen von der Zeichensetzung – und wurde kuriert durch einen Schock, der binnen 2 Wochen meinen Rechtschreibsinn inaugurierte. Auslöser war Lobo, das Halbblut. So hieß der Charles Bronson nachempfundene Held einer Western-Reihe, die Pabel aus Rastatt verlegte. Die Leser waren damals Männer in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zur Arbeit, und die Heftchen mussten so getaktet sein, dass es alle 10 Seiten einen Höhepunkt, entweder eine Schlägerei oder eine Sex-Szene, gab. Dazwischen durchquerte der narbige Held in großer Einsamkeit die endlose Wüste. Ich hatte mir bald einen kleinen Karteikasten mit der Beschreibung aller denkbaren Arizona-Kakteen und “Gestrüpp”-Arten zugelegt. Es waren die Zeiten von Tipp-Ex und manche Manuskriptseite schließlich so zugekleistert, dass man sie stöhnend von vorne tippen musste. Erst später lernte ich alle möglichen Schriftstellertricks der Vor-Computerzeit kennen, diese Klippe zu umschiffen. Am genialsten fand ich Raymond Chandlers, der eine normale Manuskriptseite in der Mitte durchschnitt und, wenn er nicht zufrieden war mit seinem Text, die halb so große Seite neu und neu tippte, bis sie die Prüfung bestand. Auf jeder dieser kleinen Seiten, die sich zu Chandlers Werken scharen, musste etwas stehen, das rechtfertigte, dass man sie nicht wegwirft. So lautete die Maxime dieses Dichters. Wer mal in Paris ist, kann sich, wenn er möchte, im Balzac-Museum die abenteuerliche “Textverarbeitung” anschauen, mit welcher Honoré seine 600-Seiten-Manuskripte in 6 Wochen durch ca. 15 Fassungen jagte! Auch Balzac begann als Groschenheftautor. Was seine Romane heute schlecht lesbar macht (mit Ausnahme von Cousine Bette, den ich bei dieser Gelegenheit dringend in der Übersetzung von Paul Zech empfehle). Wir Studenten bekamen damals für unsere 110-Seiten-Western knapp 1.000 DM. Was eine Riesenmenge Geld für mich war, kein Verdienst hat sich je wieder so köstlich angefühlt. Ich brachte meinen ersten “Roman” unter, reichte gleich den zweiten nach: Als Lohn nimm heißes Blei! Woraufhin mich der freundliche Lektor, Herr D., in die Augustenstrasse bestellte, wo die Münchener Büros von Pabel damals in einer Etage zwischen Neuer Illustrierte und Praline untergebracht war. Irgendetwas war los mit dem Manuskript. Herr D. reichte es mir traurig über den Tisch. Die Seiten waren über und über mit Tintenstrichen bedeckt, man konnte kaum den Text entziffern. So sah mein Manuskript aus, nachdem Pabels Deutschlehrer, der sich auf diese Weise ein Zubrot verdiente, es Korrektur gelesen hatte. Der Schreck, gemischt mit Scham sitzt mir noch heute in den Knochen. Herr D. fragte mich, ob ich mit ihm einverstanden sei, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen dürfte. Ich nickte stumm, kaufte mir “So schreibt man richtig” aus dem Duden-Verlag, und hatte mich, da ich dringend Geld brauchte, innerhalb zwei Wochen mit der deutschen Rechtschreibung u n d Zeichensetzung angefreundet. Es kamen dann aber doch nicht mehr so viele Western zustande, knapp zehn. Ich wurde etwas zu einfallsreich für den Rahmen des Genres. Nicht, dass meine Einfälle “besser gewesen” wären, sie waren meistens schlechter, sprengten aber vor allem den Rahmen der Erwartungen des Lesers. Deshalb zog der Verlag, fand ich später noch heraus, junge Autoren mit kleinen Kindern vor. Womöglich weil sie zu wenig Zeit hatten, geistreich zu werden, und somit Garanten solider Kost waren.
Als Lohn nimm heißes Blei
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