Judith Butler ist kürzlich wieder in die Schlagzeilen geraten, diesmal wegen ihrer Kritik an Israel als Jüdin. Hat mich aber auch daran erinnert, dass sie die Begründerin der Gender-Theorie ist. Und an die Kritik, die sie damals von Joan Copjec in deren Buch “Lies mein Begehren” erhielt, das Butlers Vorstoß zerpflückte. Copjec weist nach, dass es nur zwei Geschlechter geben kann, die sich auch nicht ergänzen. Das Verständnis erschwerend kommt hinzu, dass Geschlechter auch nach Copjec nicht an den Körper gebunden sind, sondern als gegensätzliche Arten der Vergeblichkeit existieren.
Copjec schreibt leider nicht sehr anschaulich, gibt keine Beispiele. Als ich jedoch einen weiteren Ghibli-Film, Mein Nachbar Totoro, sah, fiel mir ein, dass ein Macher wie Miyazaki nach Copjecs Einteilung eine “Frau” wäre, während z.B. Kathryn Bigelow ein “Mann” wäre. Viele, womöglich alle Ghibli-Filme haben eine weiblichen Grundton.
Um den Unterschied – zwischen den Geschlechtern, nicht zwischen den Gattungen oder Gendern – zu verdeutlichen, könnte man auch Wittgensteins Flussmetapher heranziehen. In Über die Gewißheit § 96 und 97 schreibt er: „Man könnte sich vorstellen, daß gewisse Sätze von der Form der Erfahrungssätze erstarrt wären und als Leitung für die nicht erstarrten, flüssigen Erfahrungssätze funktionierten; und daß sich dieses Verhältnis mit der Zeit änderte, indem flüssige Sätze erstarrten und feste flüssig würden. // Die Mythologie [i. e. die unbezweifelten Sätze] kann wieder in Fluß geraten, das Flußbett der Gedanken sich verschieben. Aber ich unterscheide zwischen der Bewegung des Wassers im Flußbett und der Verschiebung dieses; obwohl es eine scharfe Trennung der beiden nicht gibt.“
Man kann also nicht Fluss und Bett zugleich sein, sondern das eine wirkt auf das andere ein. Der Fluss kommt nie zur Ruhe, er verändert sich in jedem Augenblick – das Bett kann sich nicht gegen ihn behaupten, aber ohne es gäbe es auch keinen Fluss. Wir sind sexuell, als Geschlecht, sagt Copjc, entweder Fluss oder Bett. Ein Drittes geht und gibt es daher nicht.
Und was wären dann die Gattungen oder Gender? Formationen des Ufers, das alle möglichen Gestalten annehmen und sich verlagern kann. Ein anderes Wort für das Ufer ist Identität. Wer auf diese pocht, ist vom Geschlecht her männlich, wer sie ständig infrage stellt, weiblich. Die Combo LGBT+ ist daher irreführend, weil “LGBT” männlich, “+” dagegen weiblich ist.