“Nichts ist abstoßender”, schreibt Davila, “als das, was der Dummkopf ‘eine harmonische und ausgeglichene sexuelle Aktivität’ nennt. Die hygienische und methodische Sexualität ist die einzige Perversion, die die Dämonen ebenso verabscheuen wie die Engel.”
Was will der Philosoph uns damit sagen? Ich hole Freud zur Hilfe: “… man müsste sich, so befremdend das auch klingt, mit der Möglichkeit beschäftigen, dass etwas in der Natur des Sexualtriebs selbst dem Zustandekommen der vollen Befriedigung nicht günstig ist.”
Wird ev. verständlicher, wenn wir genauer hinschauen, was eigentlich Triebe sind: “kleine”, selbständige Einheiten oder Wirbel – ums Sehen, Fühlen, Lecken usf. Der Schnuller fällt mir immer als Beispiel an. Warum würde ein Baby ihn ausspucken, wenn plötzlich Milch herauskäme? – Weil er Vergnügen am Saugen bedeutet; andere Triebtrümmer spielen gerade keine Rolle.
Trotzdem werden für bestimmte Befriedigungszwecke, etwa den Orgasmus, alle möglichen “Trümmer” zusammengefasst und eingerichtet. Dabei sprudelt aber immer der eine oder andere über und verfolgt sein spontanes Programm.
Das “Sexuelle” bestünde dann eigentlich in egal welcher stellenweisen, zirkulären, selbsterhaltenden Aktivität über irgendeinen Zweck hinaus. Indem wir unsere Triebe einspannen (müssen), um weiterzuleben, kleckern wir sozusagen alles Mögliche voll mit den überschießenden Resten ihrer eigenwilligen Teile. Darin sieht Freud, vermute ich, Quelle und Kern der Kultur, die also nichts verfeinert, sondern Abfall verwertet.
“Sexuell” bezöge sich damit nicht auf die Funktionen der Fortpflanzung, sondern auf solche Weiterungen der Mittel des einfachen Lebens, die immerwährend, problematisch und unsicher sind. Freilich wäre Sex dann keine in sich ausgeglichene, harmonische, “natürliche Aktivität”, die etwa durch Verdrängung aus dem Gleichgewicht und Therapie wieder in Ordnung gebracht werden könnte. Darauf möchte, denke ich, Davila mit seinem Aphorismus hinaus.
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Lacan legt nahe, sich Libido nicht als Energie, sondern als (unsichtbare) “Lamelle” vorzustellen.
Also wie ein Wechseltierchen?
Was kann damit wieder gemeint sein?
Solche Amöben, spekuliere ich los, vermehren sich ja durch Teilung. Im Grunde sind sie dadurch gar keine Einzelwesen, sondern identisch mit ihrer Gattung. Eigentlich auch unsterblich.
Menschen pflanzen sich dagegen durch Weitergabe ihres Erbgutes fort. Sie sind also viel weniger fähig oder vollständig als “Lamellen” – können sich nicht einfach teilen, um mehr zu werden …
Im Vergleich zur “Lamelle” geht uns Menschen etwas ab. Als Wesen, die sich geschlechtlich fortpflanzen, haben wir unsere Vollständigkeit verloren.
Wenn aber unsere Sexualität als “Lamelle” vorgestellt werden soll, dann ist ihr, würd’ ich jetzt mal meinen, nach Vollständigkeit. Der Mensch will dann libidinös etwas herstellen, was er nicht (mehr) ist.
Die Sexualität wäre somit eine Ahnung – an vorgeschlechtliche Zustände – ein Begehren, sie wiederherzustellen.
Würde viele der aktuellen Bemühungen erklären, die hinauslaufen auf die Beseitigung des Unterschieds zwischen den Geschlechtern …
Aber die “Lamelle” kann, lese ich zuletzt, nur “umkreist”, niemals wiederhergestellt werden.
Ist daher eine sexuelle Befriedigung überhaupt möglich?
Eigentlich nur, wenn wir den Weg als Ziel genießen. Also so, wie das Baby seinen Schnuller.
Ginge dann darum, einen Schnuller zu finden, der einen nicht zugrunde richtet?
P. S. Dramaturgische Bemerkung: Im Fall von Entwicklungsgeschichten könnte man dann “Milch-” (mode) von “Schnullerzielen” (need) unterscheiden.