Unser Dorf liegt in den Feldern, weiter draußen aber steht das Haus des Schrankenwärters. Seine Schmalheit, seine drei Stockwerke, seine Vereinzelung lassen es wie einen Turm erscheinen. In drei Tagen wird die Ernte eingebracht, jetzt hört man noch den Wind im reifen Kornfeld. Kurz bevor wir schlafen müssen, wollen wir noch den Abendzug sehen. Die Straße zur Schranke ist noch warm vom Tage, dass man auf den Händen laufen möchte. Jetzt stehen tausende von Sternen am Himmel und der Mond taucht uns in eine Helligkeit, die die Dinge nicht blendend macht, sondern klar sprechen lässt. Ein warmer Wind fährt uns in die Hemden, und die Felder raunen den Gesang der Roggenmuhme. Die Luft ist so voller Geschmack, man möchte sie essen. Einzelne Autos rasen vorüber, deren rote Hinterlichter man lange in der Nacht sieht. Da hören wir es, das leise Donnern der Lok. Jetzt heißt es, sich beeilen. Die Füße huschen über das Pflaster, der Kopf schwingt zwischen Himmel und Erde. Im letzten Moment erreichen wir die Schrankenstange und brüllen in den Lärm der vorbeisausenden Anhänger. Schon ist alles vorbei. Lautlos heben sich die Schranken in die Höhe, man kann auf die Schienen gehen, und deutlich sieht man die Schlusslichter, keine 100 m entfernt. Wir legen die Ohren auf die Schiene, die sanft vom Zuge pfeift. Dann holt der Alte, der Schrankenwärter, uns in sein Haus. Aus der Dachluke sehen wir unser Dorf im Mondschein.
Nächtlicher Ausgang
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