Im Ithaka-Kapitel des Ulysses gibt es eine hymnische Meditation über das Wasser: allgegenwärtiges, lebenswichtiges und vielgestaltiges Element, das durch seine physikalischen, chemischen und geografischen Eigenschaften die Erde formt, das Leben ermöglicht und in unzähligen Formen wirkt – ruhig und zerstörerisch, nützlich und geheimnisvoll zugleich.
Mir fällt dazu weiter ein, dass es keine menschliche Zivilisation gibt, die nicht am Wasser entstanden wäre. Unbändige Flüsse wie Nil oder Huang He erforderten für ihre Regulierung eine straffere Organisation der Gesellschaft, als es bei den vergleichsweise friedlichen europäischen Wasserläufen der Fall war, die eine demokratischere Gesinnung förderten. Weltgegenden ohne bedeutende Flüsse brachten kaum Hochkulturen hervor.
Wasser ist außerdem eine entscheidende Voraussetzung für den erfolgreichen Handel mit Waren. Der Transport per Schiff ist etwa 3- bis 10-mal günstiger als der Transport über Land, mit Kosten von 1–3 Cent pro Tonne und Kilometer (gegenüber 8–15 Cent beim LKW) und ermöglicht es, 100- bis 150-mal mehr Ladung auf einmal zu bewegen – etwa so viel wie 150 LKWs oder 50 Güterwaggons. Wer die Meere beherrscht, beherrscht den Welthandel.
Binnenländer ohne ausreichend Flüsse oder Zugang zum Meer wie z. B. Russland können wirtschaftlich nie auf dieselben Beine kommen wie vom Wasser begünstigte Lagen in Europa oder Nordamerika. – Afrika hat kaum schiffbare Flüsse und eine Küstenlinie ohne natürliche Häfen, kürzer als die Europas; so kam es auf keinen grünen Zweig.
China baut mit der „Neuen Seidenstraße“ eine Landverbindung nach Europa aus – über Straßen, Eisenbahnlinien und Handelszentren. Damit will das Land unabhängiger vom Seeweg werden, über den bislang der Großteil des Welthandels läuft. Der Zug ist zwar schneller als das Schiff, aber auch deutlich teurer: Der Transport über Land kostet zwei- bis viermal so viel wie auf dem Wasser. Für große Warenmengen lohnt sich das kaum. Trotzdem setzt China auf diesen Weg – aus strategischen Gründen: Wer die Handelsrouten kontrolliert, gewinnt politischen Einfluss. Wirtschaftlich gesehen bleibt der Seeweg aber auf lange Sicht unschlagbar günstig.
Die neue Nordroute macht Russland unabhängiger von alten Seewegen wie Ostsee, Schwarzem Meer und Mittelmeer – aber diese Regionen bleiben wirtschaftlich und strategisch wichtig, weil sie das ganze Jahr über nutzbar sind und viele wichtige Märkte erreichen. Die Nordroute ist ein zusätzlicher Vorteil, kein Ersatz.