Das Analysieren einer Vorstellung, wie es sonst getrieben worden, war schon nichts anderes als das Aufheben der Form ihres Bekanntseins. Eine Vorstellung in ihre ursprünglichen Elemente auseinanderlegen, ist das Zurückgehen zu ihren Momenten, die wenigstens nicht die Form der vorgefundenen Vorstellung haben, sondern das unmittelbare Eigentum des Selbsts ausmachen. Diese Analyse kömmt zwar nur zu Gedanken, welche selbst bekannte, feste und ruhende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment ist dies Geschiedne, Unwirkliche selbst; denn nur darum, daß das Konkrete sich scheidet und zum Unwirklichen macht, ist es das sich Bewegende. Die Tätigkeit des Scheidens ist die Kraft und Arbeit des Verstandes, der verwundersamsten und größten, oder vielmehr der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich geschlossen ruht, und als Substanz seine Momente hält, ist das unmittelbare und darum nicht verwundersame Verhältnis. Aber daß das von seinem Umfange getrennte Akzidentelle als solches, das gebundne und nur in seinem Zusammenhange mit anderm Wirkliche ein eigenes Dasein und abgesonderte Freiheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die Energie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste, und das Tote festzuhalten das, was die größte Kraft erfordert. Die kraftlose Schönheit haßt den Verstand, weil er ihr dies zumutet, was sie nicht vermag. Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas anderem übergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt. – Sie ist dasselbe, was oben das Subjekt genannt worden, welches darin, daß es der Bestimmtheit in seinem Elemente Dasein gibt, die abstrakte, d.h. nur überhaupt seiende Unmittelbarkeit aufhebt, und dadurch die wahrhafte Substanz ist, das Sein oder die Unmittelbarkeit, welche nicht die Vermittlung außer ihr hat, sondern diese selbst ist.
Phänomenologie des Geistes Vorrede
[Das Analysieren einer Vorstellung, wie es bisher gemacht wurde, war eigentlich nichts anderes als das Auflösen ihrer vertrauten Form. Eine Vorstellung in ihre ursprünglichen Teile zu zerlegen, bedeutet, zu ihren Grundelementen zurückzugehen, die zumindest nicht mehr die Form der ursprünglichen Vorstellung haben, sondern direkt zum Selbst gehören. Diese Analyse führt zwar nur zu Gedanken, die selbst bekannt, fest und unveränderlich sind. Aber ein wichtiger Teil ist gerade dieses Getrennte und Unwirkliche selbst; denn nur weil das Konkrete sich trennt und unwirklich wird, kann es sich bewegen. Die Fähigkeit zu trennen ist die Kraft und Arbeit des Verstandes, der erstaunlichsten und größten, oder sogar der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich geschlossen ruht und als Substanz seine Teile zusammenhält, ist die unmittelbare und deshalb nicht erstaunliche Beziehung. Aber dass das von seinem Umfeld getrennte Zufällige als solches, das Gebundene und nur in seiner Verbindung mit anderem Wirkliche, eine eigene Existenz und abgesonderte Freiheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die Energie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir diese Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste, und das Tote festzuhalten erfordert die größte Kraft. Die kraftlose Schönheit hasst den Verstand, weil er von ihr verlangt, was sie nicht kann. Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tod fürchtet und sich vor der Zerstörung schützt, sondern das Leben, das den Tod erträgt und in ihm bestehen bleibt, ist das Leben des Geistes. Er findet seine Wahrheit nur, indem er sich in der absoluten Zerrissenheit selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, das vom Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, das ist nichts oder falsch, und dann, damit fertig, zu etwas anderem übergehen. Sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Gesicht schaut und bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es ins Sein verwandelt. Sie ist dasselbe, was vorher das Subjekt genannt wurde, das dadurch, dass es der Bestimmtheit in seinem Element Existenz gibt, die abstrakte, das heißt nur allgemein seiende Unmittelbarkeit aufhebt, und dadurch die wahre Substanz ist, das Sein oder die Unmittelbarkeit, die nicht die Vermittlung außerhalb hat, sondern diese selbst ist.]