Eine Frage der Autorität

Das Patriarchat, höre ich regelmäßig, befände sich immer noch nicht am Boden. An seine bornierte Stelle müsse restlos die Gewalt der Klugheit treten. Aber ist es nicht schon längst so? Und nicht nur ein Herrschaftswissen ist dadurch am Ruder, sondern mannigfaltige Formen der Gelehrsamkeit, so viele, wie es Identitäten gibt. Der daraus resultierende Hauptstrom wird von keinem Regenten mehr bestimmt, sondern – ja, von wem eigentlich? Jedenfalls von niemand, den wir zur Rechenschaft ziehen könnten. Und trotzdem mit unbedingter Autorität, die sich beispielsweise im Trend zum Canceln kundtut. Oder in einander neutralisierenden Pandemie-Auffassungen. Wir haben den Patriarchen durch das Gespenst des Gerüchts ersetzt. Nur weil es nirgendwo zu fassen ist und umso grenzenloser wirkt, reden wir uns weiterhin eine Herrscherfigur im Hintergrund eine, die es längst nicht mehr gibt. Deswegen scheint das Patriarchat „immer noch nicht“ überwunden zu sein.