Es wäre eine Erde denkbar, die von Kindern regiert wäre. Aber bis heute hat es nie ein Kind gegeben, das hätte verhindern können, dass die Großen, sagen wir, alle Wälder in kreischende Sägewerke verwandelten, nie auch nur einen Knecht, der einen Herren zum Beispiel davon abgehalten hätte, die singenden Vögel in großen Netzen zu fangen, nie allerdings auch einen Alten, der, warum nicht, erreicht hätte, dass die Kinder nicht mitten durch seine Spargelbeete schlurften, und nie sogar einen Herrscher, dessen Untertanen nicht fühllos durch die Rosenbeete der Macht gestampft wären. Da konnten Kinder und Knechte lange reden, Alte und Herrscher lange drohen.
Es half auch nichts, dass einmal ein großes Wasser alle ertränkte. Die, die übrig blieben, verwendeten den Uferschlamm der versickernden Meere, um neue Straßen durch Wälder, in deren Bäume Fische zuckten, zu pflastern. Heute ist, Jahrtausende nach der ersten Flut, die Erde von der Herde der Menschen so plattgetrampelt, dass sie jene Scheibe geworden ist, von der die Alten von Anfang an sprachen. Damals dachten die Alten, die Erde ist ein Fladen, und wessen Zeit um ist, der wird über ihren Rand hinausgedrängt. Nur die Götter waren unsterblich und sind es heute noch. Die Menschen, die Kinder sind, möchten so mächtig und prächtig wie die Greise werden. Und wenn sie es geworden sind, wird ihnen die Kürze der verbleibenden Zeit so jäh bewusst, dass sie in panischer Wut ihren Irdeteil kurz und klein schlagen.
Wäre der selbstverständliche Anspruch der Götter und Kinder erfüllt, die Unsterblichkeit, alle müssten sich zweimal überlegen, was sie täten. Dann lebten Zehntausendjährige neben Zweijährigen und teilten mit zärtlicher Rücksicht Äpfel und Birnen, jeder wäre eines jeden Vernunft. Aber da die Menschen verdorren und verrecken, sind sie frei, solange sie leben, und alle nutzen ihre Freiheit, und wenn sie sie nicht nutzen können, weil sie zu schwach sind oder zu blöd, dann sehen sie mit aufgerissenen Augen einem uralten Machthaber in einem steinernen Palast zu, wie dieser seine Holzfäller durchs Land schickt und kaum aufhören will zu leben, bis sein Haus birst vor Glanz. Auf dem Totenbett werde er sein goldenes Beil einem Nachfolger in die Hand drücken, einem grau gewordnen Kind, das schon Jahrzehnte in die Pracht der Macht gestarrt hat. Dieses schließt die toten Augen des toten Tyrannen, aufheulend vor Zerstörungslust. Endlich! Endlich! Endlich! Und vor seinem Palast stehen hunderttausend Kinder und Knechte, die Beben vor Angst, es könnte kein neuer Punkmensch auf die Terrasse treten; denn was geschähe mit ihnen, dem Volk, ohne die Führung eines kraftvollen Herrn?
nacherzählt von Urs Widmer