Die Exzesse, die am 7. Oktober 2023 von Hamas-Angreifern begangen wurden, haben mich an ähnliche Geschichten von meiner Groß-/Mutter aus dem Zweiten Weltkrieg erinnert: was sie erlebten, als die Ostfront sie einholte. Später las ich ähnliche Berichte in Geschichts- und Anthropologiebüchern: im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl sind die Naturvölker viel grausamer und sadistischer als die zivilisierten. Seitdem glaube ich, dass die Zivilisation auf etwas gebaut ist, das aus ihren Rissen sickert, sobald diese aus irgendeinem Grund entstehen. Vielleicht besteht die Zivilisation sogar solche, ihre Ursachen nicht wahrhaben zu wollen. Die ausdrücklich exzessive Neigung vermute ich daher eher bei Menschen, deren zivilisatorische Möglichkeiten durch Erfahrung von Gewalt und Zerstörung verkrüppelt wurden. Man sagt dann gerne, solche Menschen seien traumatisiert, was auch irgendwie stimmt; nur besteht das Trauma nicht nur in etwas rein negativ Erlebtem, sondern eben auch im Zugang zu Erregungsquellen, die dem Zivilisierten verschlossen sind, bzw. seine Fantasie ergötzen (wie z.B. das außerordentlich jähzornige Game of Thrones …). Die Gewaltspirale ist insofern gefährlich, als sie etwas Ansteckendes, Erregendes hat, das sich nun erst einmal erschöpfen oder austoben muss, bevor ihm wieder Zügel angelegt können.
Zivilisation am Rande des Abgrunds
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