… einer dieser reizenden Gedanken von Lacan, der erst fruchtbar wird, wenn wir uns unerschrocken auf ihn einlassen. Dann wird nämlich klar, dass „Frau“ und „Mann“ nicht körperlich, sondern als Einstellung zu der Rolle gemeint sind, die uns das Leben auferlegt.
Nach solcher Auffassung kommen wir nicht umhin, irgendeine Rolle zu spielen, einen Text zu lernen, der uns z. B. bereits in der Muttersprache vorliegt. Die Psychoanalytiker nennen diesen Vorgang Kastration. Weil immer etwas übrig bleibt, abgeschnitten werden muss, indem es nicht in der Herstellung aufgeht. So entsteht nach dieser witzigen Lehre die Sexualität – als etwas grundsätzlich Unpassendes, am Erlernten Baumelndes, das es wieder über den Tisch ziehen kann.
Wie wir uns dazu verhalten, entscheidet unser Geschlecht, ob wir Männer sind oder Frauen, unabhängig von unserem Leib. Als Männer existieren wir, als Frauen existieren wir nicht.
Mit Existenz ist gemeint, dass wir unserer Rolle (zwanghaft) verhaftet bleiben und alles, was sie untergräbt, die Sexualität, ignorieren. Wodurch sie außer Rand und Band geraten muss und sich überall störend einmischt.
Nicht zu existieren bedeutet, mit seinem Text nie richtig fertig zu werden, seine Rolle unentwegt (hysterisch) in Entwicklung zu haben und damit auch die sich einmischende Sexualität, die insofern artikulierter wird und die Ding mehr hebt, statt umzuwerfen. (Demnach wären z. B. Wissenschaftler oder Künstler eher Frauen.)
Das so bestimmte Geschlecht sind notwendig unverträglich, seine Pole ergänzen sich nicht. Der Gender-Begriff bezieht sich dagegen auf Rollen und Sprache, wirkt umso maskuliner, je erbitterter er deren Zufall verteidigt.