USA-Versteher

Was den Ukraine-Krieg betrifft, kann ich sowohl die russische, die ukrainische, die polnische, die deutsche, die französische sowie die Postion der USA verstehen, also mir je einen Reim darauf machen. Was die USA bewegt, deute ich wie folgt:

Das Land ist – mit Ausnahme von 9/11 – niemals auf seinem eigenen Territorium angegriffen worden, kennt deswegen die leibhaftige Gräuel bewaffneter Auseinandersetzungen nur vom eigenen Bürgerkrieg her, der jetzt schon etwas zurückliegt. (Wenn Amerikaner vom „Krieg“ reden, meinen sie nie den I. oder II. Weltkrieg, sondern immer den Bürgerkrieg.) Im Grunde sind die USA eine Insel, nur vom Meer aus zu überfallen. Sie brauchen deswegen weder teure Befestigungsanlagen noch ein stehendes Heer, können sich mehr Bürgerfreiheit und schwächere Institutionen leisten. Das Militär ist mehr eine Angelegenheit ferner, überseeischer Außenbeziehungen. Das Gemeinwesen ist „liberal“, räumt dem einzelnen weitgehende Rechte ein und vertraut darauf, dass die Ordnung sich ohne Einmischung von oben selbsttätig einstellt.

Die USA haben, wie gesagt, von der Natur gezogene Außengrenzen und keine, die sie – wie Europas Kontinentalmächte – immer wieder selbst ziehen mussten. Sie sind auch nicht von gleichrangigen Nachbarn umgeben, kennen nicht den Kampf zwischen Abwehr und Expansion. Die Unveränderlichkeit des Gebiets ist aus ihrem Erleben etwas Selbstverständliches, ein Naturrecht.

Ihre militärische Stärke liegt in der Verteidigung des Luftraums sowie Beherrschung der Meere. Sie können es sich nicht leisten, die ihnen gegenüberliegenden Küsten in Europa und Asien im Machtbereich potenzieller Eroberer zu wissen. Zugleich fällt es ihrem Militär schwer, die dafür nötigen Landkämpfe durchzuführen. Deswegen neigen sie, notfalls die Infanterie von Verbündeten zu alimentieren, etwa die Russlands gegen Deutschland im II. Weltkrieg oder in diesen Tagen die jene Ukraine gegen Russland. Die Ukrainer sind gute, aufopferungsbereite Landkämpfer und bringen dadurch zustande, was die USA, auf sich gestellt, in dieser Weise nie hätten erreichen können, sowohl die Abschmelzung der russischen Spannkraft sowie die Disziplinierung Europas. Deswegen ist die Subventionierung der Ukraine aus US-Sicht kein herausgeworfenes Geld.