In de Sades Juliette spekuliert der mörderische “Papst Pius”, die Natur sei eine rein schöpferische Kraft, Urgrund des Seins, aus dem sie eine Vielzahl von Formen hervorbringe, mineralische, pflanzliche und tierische. Der Wunsch der Natur nach immer neuen und anderen Nachkommen sei unerschöpflich. Sind einzelnen Formen jedoch einmal geschaffen, hat die große “blinde Mutter” kein Interesse mehr an ihnen. In der Tat wird die Existenz einmal geschaffener Wesen, die sich in bloßen Wiederholungen reproduzieren, ein Hindernis für die Mehrung neuer Schöpfungen. Daher können die ursprünglichen generativen Kräfte der Natur nur durch die Zerstörung bestehenden Daseins wieder in Gang gesetzt werden. Nur der Tod kann den großen Schoß des Universums befruchten. Eine immer größere Zerstörung des Nachwuchses der Natur hat unweigerlich ein immer größeres Wiederaufleben ihrer schöpferischen Kraft zur Folge. Gerade dann, wenn die geschaffenen Formen zertrümmert, zerschlagen, verbrannt und zu Asche zermahlen werden, ist der Boden für das neue Wachstum der Natur am besten vorbereitet. “Je mehr unser Zerstören von einer ausufernden und grausamen Art ist”, schließt der Pontifex, “desto angenehmer ist es für sie”.
De Sade stellt uns mit anderen Worten die Theorie vor, dass wir durch Untaten an der Neuschöpfung der Natur mitwirken, deren Elan durch ihre eigenen Formen erstickt wird, welche sie in einen begrenzten Zyklus binden und zwar einen offensichtlich unvollkommenen, wie das Chaos zeigt, die Konflikte, die grundsätzliche Unordnung der wechselseitigen Beziehungen. Das tiefste Anliegen, das man demzufolge der Natur zuschreiben kann, bestehe darin, einen Neuanfang zu bedingen, um ihre Tätigkeit wieder aufnehmen zu können.
… denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
FAUST (1. Akt | 2. Szene)