Ich habe in ein paar Beiträgen jetzt schon den polaren Unterschied auseinandergesetzt zwischen rechts|links oder männlich|weiblich – dieses Schema erhellt auch die Bedeutung von “woke”, die ironische oder schimpfende Markierung von “links-weiblich”.
Eine andere Deutung von “woke” wäre “grenzenlos” oder auch “allgemein” – im Gegensatz zu “besonders”. Die woke Gesinnung schließt jeden (“jed*in”) ein, da sie überall dieselbe Substanz sieht. Ihr gegenüber legt die recht-männliche Gesinnung Wert auf Unterschiede: Ordnung und Struktur, versinnbildlicht im Errichteten (oder Erigierten, von dem wir wissen, dass es nie vorhält).
Die rechte und linke Gesinnung schließen einander aus, es kann sich eine nur auf Kosten der anderen behaupten. Deswegen die starken Ekelgefühle, welche jede woke Geste bei ihren Widersachern auslöst – und umgekehrt.
Ist es möglich, dass eine Richtung sich gegen die andere durchsetzt – oder besteht die conditio humana in der unversöhnlichen Spannung zwischen den beiden? Letzteres ist wohl die Pointe des schwäbischen Philosophen Hegel, der – wie heute noch seine Landsleute – den Widerspruch als Grundbaustein oder Quelle des Seins vorstellt.
Was gerade die Verwirrung noch steigert, ist die Übernahme woker Gesten durch ihre Gegner, die sich etwa darin zeigt, dass jemand ausgegrenzt oder mit Strafe belegt wird oder werden soll, der dem woken Mantra widerspricht. Es ist “logisch” unmöglich, dass der Wokismus jemand ausgrenzt, weil aus seiner Sicht alle Menschen gleich sind. Wer Ausgrenzung in seinem Namen betreibt, instrumentalisiert ihn zu Stärkung dessen, was ihm zuwider ist.
Wie kann der Wokismus die Gleichheit aller Menschen unterstellen, legt dann aber so großen Wert auf kulturelle Unterschiede, also das Ungemeine anstelle des Durchgängigen?
Es hat wohl damit zu tun, dass die woke Gesinnung jede Form von Kultur für “Ideologie” hält, also für bruchstückhaft, nie alles ausdrückend, worauf es ihr ankommt. Zugleich haben wir nichts anderes als eben solche Bruchstücke, um zurande zu kommen. Jeder auf seine, inhärent mangelhafte Weise. In diesem Wursteln schwingt immer die Gefahr oder Täuschung mit: dass eine andere Kultur über das verfügen, was der eigenen abgeht, und sie deswegen als Heilmittel übernommen werden kann. Was nie gut geht, zu enttäuschten Racheschlägen führt, weil die fremde Kultur eben um dieselben Löcher kreist wie die eigene.
Was die Menschen gleich macht in Wokistan, ist ihr Mangel, der sich nur mit unterschiedlichen (diversen) Masken einkleidet. In deren “diversity” liegt daher keine Erlösung, sondern ein Sich-Abfinden mit etwas Unerfüllbaren.