Joan Copjec LIES MEIN BEGEHREN

Die Autorin bringt in ihrem Klassiker das psychoanalytischen Mantra in Stellung, um Kritiker von Ideologie und Zwängen mit einer übersehenen Freiheitschance zu konfrontieren. Die Kapitel ihres Buches nehmen dabei vor allem Ansichten Foucaults aufs Korn im Hinblick auf etwas Überschüssiges, das er Punkt für Punkt vernachlässige und das nicht in den Ordnungen oder Neurosen der Macht aufgehe, sondern diese hervortreibe.
 
Foucault & Co berücksichtigen (lt. Kapitel 1) nur, was zufällig vorherrscht, nicht aber das, was es allgemein verursacht und daher verändern kann.
 
Die Anwendung Foucaults verflache (Kap. 2) so beispielsweise die Filmtheorie, indem der Blick als etwas bestimmt wird, das Macht ausübt und nicht (wie Lacan zeige …) zersetzt.
 
Auch werde Begehren (Kap. 3) nicht von Machtverhältnissen hervorgerufen, die es festige, sondern verdanke sich dem Trieb, der – durch lustvolle Wiederholung von Vertrautem – die herrschende Ordnung zwar verursache, jederzeit aber auch unterbrechen, selbst ungeschehen machen könne.
 
Die Autorin meditiert weiter (Kap. 4) über die moderne Abrichtung zum glücklichen Leben. Der Mensch werde damit überfordert, weil er als Subjekt konstitutiv von dem getrennt sei, was er begehrt, und keine Erfüllung erreiche durch etwas, was einfach nur guttut.
 
Andererseits kann, was er wirklich genießt, ihn überfallen (Kap. 5) und traumatisieren, wenn es nicht umgewandelt wurde. Die so entstandene Vorsicht oder Normalität ist vor allem das Mittel des Begehrens und nicht, wie Foucault und die ihm verwandten Historisten reklamieren, der Macht (sondern Weiterung eben von dem, was sie allemal umstürzt).
 
Kaum verrate ein Alltag daher, was er umsetzt (Kap. 6). Denn sein Subjekt lauert hinter der Wahrheit – zeigt sich gerade in dem, was ihr spottet. Insofern täuscht sich auch stets der Verstand, nur Begehren ahnt, was der Fall ist.
 
Im vorletzten Kapitel (7) analysiert und vergleicht die fabelhafte Autorin den Krimi mit dem Film noir. Während der Ermittler (im Krimi) aus den Tiefen seines Begehrens relevante Deutungen schöpft, ist der Anti-Held des Film noir zügellos dem Trieb verfallen, dessen Genuss er seiner Gefährtin, der Femme fatale, zur Hortung gibt, um somit zur Hölle zu fahren.
 
Im letzten (8.) Kapitel setzt die Autorin sich psychoanalytisch mit J. Butlers “Das Unbehagen der Geschlechter” (Gender Trouble) auseinander – mit der darin vertretenen Ansicht, Geschlecht sei ein kultureller Oberton oder Narrativ, das mit gesellschaftlichen Moden komme/gehe und auf derselben Stufe stehe wie Klasse oder Rasse als das Konstrukt herrschender Verhältnisse. Die Autorin beschreibt Geschlecht dagegen als vorgängig, nicht tanzend nach einer kulturellen Melodie; es lasse sich nicht dekonstruieren. Am Leitfaden von Kants Antinomien und Lacans Formel der Sexuierung (Alles Männliche genießt Erziehung, mit einer Ausnahme – jedes Weibliche genießt Erziehung, aber nicht nur …) entwickelt sie einen Begriff des Geschlechts, das als binäre Triebgestalt sowohl dem Leib wie jeglicher Geschichte oder Kultur vorausgeht, die es – entweder “männlich” oder “weiblich” – verursacht und jederzeit umwirft. Dermaßen aufgefasst, hängt das Geschlecht nicht ab von Merkmalen des Leibes. Dieser kann entweder “weiblich” oder “männlich” beseelt sein, jedoch mit nichts Drittem. Denn es gibt nur zwei Geschlechter. Die unvereinbar sind.
 
Keine leichte Kost, aber in jedem Satz – jedem Buchstaben – zwingend. Vor allem hinsichtlich Identitätsfragen und deren Weiterung ein Augenöffner.