Zentrale Gedichte des Traums der roten Kammer

Blüten fallen, wirbeln unendlich durch die Luft;
Ihre Farbe verblasst, ihr Duft erstirbt. Wen schert’s?
Die Fäden des Sommers umfangen das Gartenhaus,
Weidenflocken legen sich auf den Bettvorhang.

Einsam trauert das Mädchen dem schwindenden Frühling nach.
Wer weiß denn, wie sie sich fühlt?
Die Blumenhacke in den Händen, tritt sie vors Haus,
Zögert, den Blütenflur zu betreten.

Weiden und Ulmen stehen da in grüner Pracht,
Die fallenden Pfirsichblüten kümmern sie nicht,
Im nächsten Jahr werden neue erblühen.
Wer mag dann wohnen im Gartenhaus?

Schon haben sie aus den Blüten ihr Nest gebaut
Die herzlosen Schwalben im Gebälk des Daches.
Im nächsten Frühling sind frische Blüten dran
Und leer stehen Wohnung und Nest von heute.

Endlos weitere Tage des Jahrs,
Schneidende Winde, eiskalter Reif!
Wie sollen euch standhalten Schönheit und Pracht?
Der Sturm eines Morgen macht sie zunichte.

Die fallenden Blüten verstreut rings der Wind,
Das Mädchen steht vor dem Tore voll Wehmut.
Als sie die heimlichen Tränen fortwischt,
Sind Spuren von Blut drin zu sehen.

Der Kuckuck verhallt im Zwielicht des Abends,
Das Mädchen mit der Blumenhacke kehrt heim, schließt die Türe.
Im bleichen Schein der Lampe sucht sie den Schlaf.
Der Regen klopft ans Fenster, die Decke erwärmt nicht.

Du willst wissen, was mir so einen Tiefschlag versetzte?
Der Frühling – tut mir einerseits leid – und empört mich!
Sein Auf und Ab der Gefühle, ihr Kommen und Gehen,
Das mich befällt und jäh wieder aufhört.

Gestern Abend erscholl vor der Türe ein wehmütig’ Lied.
Warn’s die Seelen der Vögel – oder der Blüten?
Selbst wenn sie es waren, sie hält niemand auf,
Die wortlosen Vögel und schüchternen Blüten.

Ja, hätte ich kräftige Flügel, ich würde den Blüten folgen
An die Flanke des Himmels zu ihrer duftigen letzten Ruhe.
So aber hüll’ ich sie besser in Seide
Und begrabe die welkende Pracht.

Sauber wie sie erblühten, geh’n sie wieder fort
Und werden nicht besudelt von Grabschlamm und Schmutz.
Ihr meine toten Blüten, so leg’ ich euch heut’ noch  ins Grab.
Muss ich selber bald folgen?

Weil ich Blüten begrabe, nennt man mich töricht, ein Kind.
Doch wer wird mich begraben, wenn ich gestorben bin?
Geht der Frühling zu Ende, und die Blüten fallen vom Baum,
Ist auch für rote Mädchenwangen die Schicksalsstunde gekommen.

Jäh sind verflossen die Frühlingstage, das Mädchenglück.
Blüten welken, ich sterbe. Niemand weiß davon.

*

Der Geist des Hibiskus

Warum ist der Himmel so blau – blau?
Fliegst du auf deinem jadenen Drachen zum Firmament?
Warum ist die Erde so weit – weit?
Fährst du in deinem Elfenbeinwagen zur Unterwelt?

Es funkelt so zahlreich auf deinem Schirm.
Ist es das Glänzen von Sternen?
Federbüsche wehen deinem Zug voran.
Geleiten dich gar Kometen?

Steuert der Mondlenker die Karosse?
Fährt der Donnergott nebenher?
So eilig rattern die Räder im Flug.
Sind’s Phönixe, die dich ziehen?

Deutlich verspür’ ich balsamischen Duft.
Bist du mit Kräutern gegürtet?
Es glitzert dort auf deinem Rock so stark.
Trägst du aus Mond ein Geschmeide?

Dein Altar ist mit Blattwerk ausgelegt.
Brennt Blumenöl in der Lampe?
Aus Kürbis geformt das Opfergefäß.
Ist Duftblütenwein darinnen?

Aufmerksam späh’ ich den Wolkendunst aus.
Ob ich wohl etwas erblicke?
Vorgebeugt lausch’ ich mit forschendem Ohr.
Lässt sich dort etwas vernehmen?

Seh’n wir uns wieder im endlosen Raum?
Lässt du mich im Staub hier zurück?
Ich schlösse mich gern dem Wolkengott an.
Nimmst du mich mit auf dem Wege?

Mein Herz verzehrt sich vor Sehnsucht nach dir.
Doch hat es Sinn, nur zu jammern?
Du schläfst nun auf ewig in deiner Gruft.
Ist das so der Lauf der Dinge?

Wenn es so ruhig im Grabe sich schläft,
Warum dann verwandelt fliehen?
Ich trage weiter die Fesseln der Welt.
Kommst du mich hier noch besuchen?

Kommst du? Bleibst du?
Ich bitte dich, komm!