Michel Foucault als theoretischer Impulsgeber der queeren Bewegung predigt die ungehemmte Identitätsschöpfung. Der Mensch ist nach ihm keinem echten Selbst verpflichtet, muss überhaupt nichts treu sein. Es geht nicht darum, richtig oder falsch zu liegen, das Leben ist keine moralisches, sondern ein übermenschliches, ästhetisches Projekt. Es geht um die Befreiung von den Formen auch seines zufälligen Körpers. Stattdessen gilt es, herauszukommen (coming out) und sich auszubreiten als Schöpfer seines eigenen Wesens.
Foucaults Auffassung floriert durch den Neoliberalismus, dessen bedeutende Predigerin Ayn Rand mit ihrer Formel A = A den einzelnen, unverbundenen, sich selbst schaffenden Menschen als unübertreffliche Mitte darstellt. Sie weist jede Form von Gesellschaft als Quelle des Wesens ihrer Mitglieder zurück. Wie Foucault erkennt sie darin nur einen Vorwand zu Unterdrückung der herrlichen Eigenmacht jedes Menschen an sich.
Aber der einzelne Mensch würde zugrunde gehen ohne die Mitwelt, deren Lebendigkeit sich einem Regelwerk verdankt, nach dem alle sich richten. Dieses kann aus systemtheoretischen Gründen niemals vollständig sein, sondern muss, um freizuwerden, immer seinen Widerspruch auch enthalten. Es ist angewiesen auf die queere Gesinnung, die es stabilisiert als Gegenkultur.
Die queeren Akteure spielen somit eine wichtige Rolle, die gefährdet wird in dem Maß, in dem sie die Gesellschaft, der sie gegenüber stehen, anfangen nachzumachen oder zu zerstören – statt weiter zu queren.