Geschichten, welche die menschliche Entwicklung zu Thema haben, werden getragen von der Sehnsucht der Hauptfigur – nach im Grunde nichts weniger als dem Sinn des Lebens. Sie erreicht dieses Ziel, wenn sie es denn erreicht, durch ein bestimmtes Tun, das informiert wurde durch eine Niederlage.
Die Niederlage zersetzt das Widerspiel, welches dem erlösenden Tun im Weg stand. Das Widerspiel ist im Gegensatz zu dem, was schließlich Erlösung bringt, bewusst und daher mit Zielvorstellungen verknüpft, die eine Karriere diktieren. Im besten Falle handelt es sich dabei um Vorwände. Aber sie können auch das übertönen, worauf des ankommt, und sich dagegen durchsetzen. Es sieht dann so aus, als habe die Hauptfigur der Geschichte ihr Ziel erreicht. Trotzdem ist sie nicht glücklich, hat ihr Leben verscherzt.
Ein tragischer Bildungsroman raubt dem Helden oder der Heldin schließlich die positive Erlösung dadurch, dass sie bekommen, was sie sich zu verschaffen verstehen. Beim primitiven happy end macht der Held dann Karriere, beim raffinierteren setzt er eine obstinate Haltung durch, entweder dilettantischer oder nihilistischer Natur. Der Dilettant oder Ästhet “erkennt”, dass seine Sehnsucht verirrt war und von vielen guten Dingen des Lebens abgelenkt hat – der Nihilist “erkennt”, dass seine Ansprüche sich in “so einer” Welt nie erfüllen lassen und deswegen keines weiteren Engagements bedürfen (von vielen guten Dingen des Lebens abgelenkt haben).
Sowohl Dilettant wie Nihilist verharren schließlich bei Lösungen, die Früchte ihres eigenen Bewusstseins und seiner Freiheit sind, also gerade jener Voraussetzung, welche die Frage nach dem Sinn des Lebens erst ermöglichte und dringend machte. Sie lösen ihre Probleme mit Brodmitteln, ohne deswegen in jenen Besitz zu kommen, der ihre missliche Lage überragen würde.
Erst die Niederlage oder Schlappe ihrer Karriere eröffnet einer Figur die Wahrnehmung von Mitteln, die ihre Not überragen und daher als einzige wirklichen Trost spenden können. Der glückliche Held oder die glückliche Heldin einer Bildungsgeschichte geht daher immer durch die Niederlage zur Erfüllung und erreicht in diesem Moment erst “Identität”: indem er oder sie sich auf etwas verlegen, das nicht dem Bereich ihrer Kontrolle entspringt, imgrunde Gehorsam leisten. “Sünde” ist aus dieser Sicht vor allem der Ungehorsam, wie er sich am raffiniertesten in der Verblasenheit von Dilettantismus oder Nihilismus versteckt, den Philosophien der Henkersmahlzeit.