Siegmund Freud
Der Todestrieb durchstreicht das Lustprinzip, denn Lust besteht im Abbau von etwas, worauf dem Todestrieb ankommt: Erregung.
Der Todestrieb zerstört um der Zerstörung willen. Wir gewinnen unmittelbar nichts, indem wir ihm nachgehen. Trotzdem nimmt er uns gefangen, wir opfern ihm alles.
Beim Fort-da-Spiel von Freuds Enkelsohn ist der zweite Akt, der Wiederkehr des verlorenen Gegenstandes, wohltuender als der erste. Vergnügen steckt jedoch im ganzen Verlauf. Wobei der Genuss am Verlust größer scheint, als die Lust der Erholung angesichts des Wiederauftauchens.
Besonders Merkmal des Todestriebs ist der Drang, eine unerfreuliche Erfahrung zu wiederholen.
Freund deutet den Drang zur Zersetzung als biologische Neigung der Rückkehr zum Anorganischen. Spätere Denker weisen diese Erklärung zurück. Die Vorstellung, dass Leben im Grunde sterben will, verträgt sich auch nicht mit Darwins genau entgegengesetzter Annahme: dass Leben sich immer maßlos ausbreiten möchte.
Durch Lösung oder Entspannung von Erregung, würde das Lustprinzip (nach Freud) dem Todestrieb dienen, sein ewiges Wiederaufzuerstehen verursachen.
Jacques Lacan
Für Lacan will der Todestrieb nicht, dass das Leben aufhört, sondern immer weiter geht – jenseits der symbolischen Ordnung. Vermittels seiner gelangt das Subjekt über das hinaus, durch was es bedingt wurde. Der Todestrieb ermöglicht die völlige Neuschaffung einer ordentlichen Welt. Ist somit nicht nur abreißend, sondern ermöglichend. Er garantiert, dass man an jedem Punkt seiner Existenz von vorne anfangen kann.
Die Möglichkeit, von vorne zu beginnen, besteht für jeden (lt. Lacan).
Lacans Auffassung des Todestriebs ändert sich. Er denkt, dass unterschiedliche Triebe einer kreisförmigen Bewegung folgen – nach dem Vorbild des Todestriebs.
Das Trieb-Muster ist ein Kreis, der sich um das begehrte Objekt (a) bewegt.
Auf diese Weise befriedigt sich nach Lacan das Subjekt. Im Todestrieb liegt daher wie noch bei Freud etwas nicht notwendigerweise Angenehmes, aber Befriedigendes.
Lacans umstürzlerische, über Freud hinausgende Idee: Trieb findet Befriedigung im Verfehlen – nicht Erreichen – seines Gegenstandes. Lacans Trieb ist eine Bedeutung, die sich dadurch einstellt, dass etwas unterbleibt. Der seinen Schwanz jagende Hund wird nicht dadurch befriedigt, dass er den Schwanz erwischt. Die Psychoanalyse kann den Trieb daher nicht behandeln, nur seinen Umlauf verkürzen. Wer psychologische Hilfe sucht, betreibt zu viel Aufwand für die Befriedigung seines Triebs. Die Kur baut die Spannung ab durch Verkürzung des Umlaufs. Die einzige Rechtfertigung für eine Therapie ist der zu hohe Aufwand (nicht etwa das falsche Objekt). Der Trieb soll sein Objekt reibungsloser umlaufen.
Slavoj Žižek
Žižek liegt viel daran, Trieb und Begehren auseinander zu halten: die Befriedigung des Triebes abstechen zu lassen von der Niederlage des Begehrens. Das wahre Bestreben des Triebes tarne sich durch sein Ziel; eigentlich gehe es ihm darum, durch dessen Verfehlung seine Erregung zu halten – in immer wiederholtem Verfehlen. Žižeks neue Idee ist jene des Ziels als Vorwand.
Žižek: Im Begehren liegt noch die Vorstellung, etwas zu erhalten – während Trieb einen Zusammenhang bildet, in dem Erhalten keine Rolle mehr spielt. Das am Schnuller oder Daumen saugende Baby würde in seinem Genuß gestört, wenn auf einmal Milch heraus (oder dazwischen) käme.
Todd McGowan
Trieb schöpft Vergnügen oder Genuss aus dem Verlust – muss dabei notwendig unbewusst sein. Trieb ist die Logik des Unbewussten. Das Unbewusste wird bestimmt von einer Logik der Befriedigung vermittels des Opfers, des Verlustes. Was nicht bewusst gemacht werden kann.
Unterschiedliche Logiken |
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Bewusstes Vergnügen |
Unbewusstes Vergnügen |
Gewinn
Stärkung der Macht |
Opfer, Verlust – langsamer verlieren
Erschöpfung der Macht Indem wir einen Gegenstand verlieren, geben wir ihm Wert. |
Der Akt des Verlustes verleiht einem Gegenstand überwirklichen oder sublimen Wert. Das Heilige entsteht durch sein Opfer.
Werte existieren nicht, sondern entstehen durch Opfer oder Verlust. Die Gegenstände liegen nicht herum, um begehrt zu werden, wir müssen sie durch Opferung erschaffen. Unsere selbstzerstörerischen Verhaltensweisen stellen unsere Fähigkeit her zu begehren. Durch seinen Verlust bilden und genießen wir das begehrenswert Objekt. Jeder selbstzerstörerische Akt stiftet die Liebe zu dem dadurch entstehenden Gegenstand.
Wenn ich durch Fressen meine Figur zerstöre – wird sie dadurch umso begehrenswerter. Genießen können wir nur, was wir bereit sind zu opfern.
Genuss und Opfer hängen innig zusammen, weswegen wir uns auf so viele Opferrituale einlassen, nicht nur im Rahmen der Religion, sondern wo immer etwas geopfert wird um der Genusses willen. Sport etwa wird höchst bedeutungsvoll durch die Opfer, die ihm gebracht werden.
Man kann Opferhandlungen allerdings nicht bewusst verfolgen, denn der Todestrieb folgt der Logik des Unbewussten, das sich nun mal nicht bewusstmachen lässt. Bestenfalls kann man sich versöhnen mit dem Todestrieb, ihm einen bewussten Tribut zollen, den Störungen unseres Lebens Respekt erweisen. Treten sie ein, können wir sie erkennen und annehmen, anstatt unserem Todestrieb dauernd aus dem Weg zu gehen, ihn in andere zu verlegen oder Haare auf den Zähnen zu bekommen.
Vielmehr kann man den Todestrieb moralisch einbinden, den absoluten Verlust und die Aufgabe der symbolischen Identität. Die Fähigkeit, dies zu tun, macht uns zu ethischen Wesen.
Die restlose Zerstörung durch den Todestriebes kann ein Weg sein, das Kantsche Moralgesetz zu betrachten, das uns anordnet, ohne Rücksicht auf unser Selbst zu handeln.
Es gibt also eine Verbindung zum Todestrieb, der das Selbst durchstreicht, und einem moralischen Gebot, welches das Selbst übersteigt, die wirklich ethische Möglichkeit des Todestriebes, der, wenn wir ihn nicht erforschen, sich schließlich in die entgegengesetzte Richtung manifestiert als unglaublich aggressive Gewalt. Der Todestrieb hat die Möglichkeit zur Ethik – genauso zum Schlimmsten, das passiert, wenn wir nicht den Pfad der Ethik gehen.
Todestrieb nach
Freud |
findet Bedeutung im Anorganischen. |
Lacan |
zerstört die symbolische Ordnung, umkreist das Objekt, um bedeutend zu werden. |
Žižek | sieht heimlich ab vom Objekt, um Bedeutung zu halten. |
McGowan |
opfert das Objekt, um ihm Bedeutung zu geben. |