Keine Annahme scheint mir natürlicher, als daß dem Assoziieren oder Denken kein Prozeß im Gehirn zugeordnet ist; so zwar, daß es also unmöglich wäre, aus Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen. Ich meine das so: Wenn ich rede oder schreibe, so geht, nehme ich an, ein meinem gesprochenen oder geschriebenen Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus. Aber warum sollte das System sich weiter in zentraler Richtung fortsetzen? Warum soll nicht sozusagen diese Ordnung aus dem Chaos entspringen? Der Fall wäre ähnlich dem – daß sich gewisse Pflanzenarten durch Samen vermehrten so daß ein Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, – daß aber nichts in dem Samen der Pflanze, die aus ihm wird, entspricht; so daß es unmöglich ist, aus den Eigenschaften oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schließen, – daß man dies nur aus seiner Geschichte tun kann. So könnte also aus etwas ganz Amorphem ein Organismus sozusagen ursachelos werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte. – Es ist also wohl möglich, dass gewisse psychologische Phänomene physiologisch nicht untersucht werden können, weil ihnen physiologisch nichts entspricht. L. WITTGENSTEIN ZETTEL 608
Gedanken hängen nicht vom Gehirn ab
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