ARAB DIRNDL – Völkerverständigungs-Komödie zum Oktoberfest
Die aufgeweckte Prinzessin Hessa (18) absolviert das übliche Bayern-Programm für arabische Touristen. Dass sie vor Antritt der Reise Deutsch gelernt hat und spricht, nutzt ihr wenig. Eine echte Beziehung zu Land und Leuten behindern ihre konservative Familie, vor allem der wichtigtuerische Bruder, und Hessas deutsche Normalbürger abschreckender Ganzkörperschleier.
In München klettert trotz Oktoberfest-Zeit dieses Jahr das Thermometer auf über 20 Grad. Hessa soll nach einem endlosen Streifzug durch teure Modeläden mit den Frauen ihrer Familie zurückkehren ins klimatisierte Luxus-Hotel. Sie setzt durch, dass ihr deutscher Fahrer sie vorher noch ins Holareidulijö, einen Laden für urtümliche bayrische Klamotten, bringt.
Dort erwirbt sie ein zünftiges Dirndl, verstaut ihr Schleiergewand in einem Bahnhofsschließfach und lässt sich aufs Oktoberfest kutschieren, um einen Liter alkoholfreies Bier zu probieren. Infolge einer Verwechselung leert sie jedoch einen Liter Vollbier. Zum ersten Mal in ihrem Leben betrunken, macht Hessa anschließend das Oktoberfest unsicher. Der Fahrer verliert sie aus den Augen, und sein bester Freund (Alex, 23) nimmt die orientierungslose Hessa vor Mitternacht schließlich mit in seine Studenten-Wohngemeinschaft, damit sie ihren Rausch ausschläft. Er hat keine Ahnung, wer Hessa wirklich ist.
Im Luxus-Hotel meldet der deutsche Fahrer den Abgang der Prinzessin. Hessas Tante verspricht ihm 100.000 €, wenn er das Mädchen aufspürt und abliefert, bevor ihr Vater morgen Abend von seinem Mercedes-Kauf aus Stuttgart zurückkehrt.
Die Prinzessin wird nach Sonnenaufgang von zwei kleinen Kindern geweckt, welche Hessa für Alex’ Freundin (in deren Bett Hessa schläft) halten und verlangen, dass sie ihnen Frühstück macht. – Alex stößt in der Küche zu hinzu. Es sind die Kinder seiner Schwester.
Nachdem Alex fort ist, sie zum Hort zu bringen, ruft Hessa ihre Kusine – in Garmisch – an, um die missliche Lage zu besprechen. Wenn’s der Vater erfährt, bringt er Hessa um!
Nach Abgabe der Kinder im Hort, trifft Alex auf der Straße seinen Freund, den Fahrer, der ihm klarmacht, wen er da gerade beherbergt. Alex soll die Prinzessin heute möglichst lange davon abhalten, ins Hotel zurückzukehren. Die 100.000 infolge ihrer abendlichen Übergabe an die Tante teilen sie sich dann!
In der Wohnung täuscht Hessa ihrer Tante am Telefon vor, aus der Garmischer Diät-Klinik anzurufen, in welcher ihre Kusine für ihre Hochzeit fastet. Hessa behauptet, der Kusine einen Überraschungsbesuch abgestattet zu haben, um ihr beim Packen heute für die Rückreise zu helfen. Später Abends werde sie mit ihr im Hotel eintreffen. Danach ruft Hessa die Kusine an: Die Tante hat’s gefressen! Sie vereinbaren noch rasch einen Platz für Hessas Zusteigen abends ins Auto der Kusine. Was Hessa mit dem so gewonnenen freien Tag in München zu tun gedenkt? fragt die Kusine. Hessa: “Was ich schon immer mal machen wollte!”
Als Alex sich dem Haus mit seiner Wohnung nähert, sieht er, wie Hessa sich herausschleicht. Er folgt ihr unauffällig – beobachtet, wie sie von einem Filmteam ad hoc für eine kurze Szene als Statistin engagiert wird. Sie wird eingeladen, abends zum Bergfest an den Eisbach zu kommen.
Hessa bestellt sich einen Espresso in einem Steh-Café bei einer U-Bahn-Haltestelle. Beobachtet das Treiben. Alex kommt “zufällig” vorbei, leistet ihr Gesellschaft. Sie gibt vor, eine “tunesische Putzfrau” in einem Münchner Hotel zu sein, die sich einen Tag freigenommen hätte, um endlich einmal zu machen, worauf sie immer schon Lust gehabt hätte: Fahren mit der U-Bahn – oder mit einem Auto – Herumrennen im Regen . . . Alex bietet an, ihr Fremdenführer für den Tag zu sein. Hessa willigt ein. Solange er verspricht, sie abends an eine bestimmte Stelle zu bringen (wo das Auto der Kusine aus Garmisch sie erwartet).
Als erstes fahren sie U-Bahn – bis nach Garching. Dort geht’s auf die Go-Kart-Bahn, wo Hessa ein paar heiße Runden dreht.
Hotel. Hessas Bruder kommt – früher als der Vater – zurück aus Stuttgart. Weil er noch etwas Geheimnisvolles in München zu erledigen hat. Die Tante antwortet auf seine Frage nach Hessa, sie kehre heute Abend mit der Kusine zurück aus Garmisch.
Alex fährt mit Hessa in der Straßenbahn-Linie 19 vorbei an allen Sehenswürdigkeiten Münchens. Als Kontrolleure auftauchen, entdeckt er, dass Hessa vergessen hat, ihre Fahrkarte zu stempeln. Rasch stopft er ihr ein kleines Kissen unter das Dirndl, und sie spielen, um die Kontrolleure gnädig zu stimmen, ein junges Ehepaar auf dem Weg zur Entbindungsklinik. Als die Masche auffliegt, gelingt Hessa und Alex trotzdem die Flucht.
Sie reiben die Nasen der Bronzelöwen an der Residenz, um ihre Zukunft günstig zu beeinflussen, und Alex verschaukelt Hessa, indem er ihre Nase rot anmalt.
Sie besuchen die rätselhaft kleine Ost-West-Kirche auf dem Oberwiesenfeld, wegen der einmal alle Olympia-Anlagen weiter nördlich gebaut wurden. Alex erzählt Hessa, wie die Hügel hier aus dem Schutt der im II. Weltkrieg zerbombten Wohnhäuser bestehen – und was der Krieg für Auswirkungen auf die deutschen Familien, selbst das Kennenlernen von Alex’ Großeltern hatte. Hessa schlägt schließlich vor, dass sie zu dem Bergfest gehen, zu dem das Filmteam vom Anfang sie eingeladen hatte.
Vor Ort geraten Alex und Hessa in eine ausgelassene Freiluftveranstaltung mit Musik und Tanz. Die aus dem Ruder zu laufen droht, als Hessas Bruder mit einem Surfbrett auftaucht, um höchstpersönlich die Welle zu reiten. Er darf Hessa, die in Garmisch sein soll, hier auf keinen Fall erblicken!
Es gelingt Alex und Hessa, den misstrauischen Verfolger – schließlich durch einen Sprung in den Eisbach – abzuschütteln.
Nass wie die Kanalratten, holen sie Hessas Ganzkörperschleier aus dem Bahnhofsschließfach.
Während Hessa sich in Alex Wohnung umzieht, ruft der Fahrer an. Er will sie abholen, um die 100.000 zu kassieren. Nachdem er vorher einen anderen Auftrag erledigt hat.
Alex bringt Hessa jedoch zu der vereinbarten Stelle, wo sie ins Auto ihrer aus Garmisch zurückkehrenden Kusine steigen soll. Dieses wird von seinem Freund gesteuert, dem hiermit klar wird, dass er die 100.000 vergessen kann.
Im Hotel. Der Vater ist zurückgekehrt. Hessas Bruder spürt, dass der deutsche Fahrer mit den Frauen unter einer Decke steckt, kann aber nichts beweisen. Zumindest setzt er die Entlassung des Fahrers durch.
Als die Familie anderntags zum Flughafen gefahren werden muss, taucht als neuer Limousinen-Chauffeur – Alex auf. Er verlädt die Koffer. Als letzte steigt Hessa zu ihm in den Wagen, hinter ihrem Gesichtsschleier kaum zu erkennen.
Doch ihre Augen – im Rückspiegel – verraten sie während der Fahrt zum Flughafen.
Auf dem Flughafen tauschen Alex und Hessa in einem unbeobachteten Moment persönliche Abschiedsgeschenke aus.
Danach trennen sich ihre Wege für immer.
Hier folgt das Drehbuch:
ZELL AM SEE – dann MÜNCHEN: Maximilianstraße, Glockenspiel, Viktualienmarkt.
ARABISCHE TOURISTEN, die Fotos machen, mit Einkauftüten aus Boutiquen kommen, Fahrradrikscha fahren, in der Fußgängerzone spazierengehen oder in den Stühlen vor den Cafés der Neuhauserstraße sitzen.
Dann werden sie in den BERGEN gezeigt, ihre ersten Schneebälle werfend.
Darüber die VERKAUFENDE STIMME des Kommentators.
INN. DAMENTOILETTE – TAG
HESSA (17) überprüft ihr aufgewecktes, sparsam aber effektiv geschminktes Gesicht einer jungen Araberin im Spiegel.
Neben ihr wäscht eine FRAU IN WANDERJACKE sich die Hände.
HESSA
(Deutsch – mit Akzent)
Entschuldigen Sie die Störung.
Die Angesprochene blickt auf.
HESSA (NOCH)
Wissen Sie, ob die Drahtseilbahn pünktlich abfährt?
FRAU IN WANDERJACKE
(amerikanischer Akzent)
I’m sorry, I don’t speak German.
HESSA
Oh, please excuse me. Do you know if the cable car’s departure is on schedule?
FRAU IN WANDERJACKE
I guess so.
(. . .)
After all – this is Germany . . .
Sie betrachtet Hessa, die im schwarzen Überkleid der Araberinnen steckt.
FRAU IN WANDERJACKE (NOCH)
(stauned)
You’re from here?
HESSA
No, I’m visting Germany.
FRAU IN WANDERJACKE
But – you speak the language?
HESSA
I did learn German – via internet. It’s a beautiful language. I like it.
Frau in Wanderjacke
Amazing.
HESSA
(hinzufügend)
Germany is a beautiful country.
FRAU IN WANDERJACKE
Yes, quite nice.
Sie nickt Hessa zu und verlässt die Damentoilette.
Hessa knüpft einen Schleier vor das Gesicht, ihre funkelnden Augen betonend und folgt der Frau nach.
Inn. gletscherrestaurant / zugspitze – tAG
HESSA nähert sich der SELBSTBEDIENUNGS-SCHLANGE vor dem Büffet, an welcher die FRAU MIT DER WANDERJACKE und ein ÄHNLICH GEKLEIDETER MANN anstehen.
An einem Tisch vor dem Alpen-Panorama-Fenster residiert zahlreich und der Kleidung nach konservativ Hessas FAMILIE. Man beobachtet, wie sie mit den Fremden spricht.
Sie kommt zu ihrer Familie.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Die Seilbahn fährt gleich.
ABDULLAH, ihr jüngerer Bruder, lehnt sich aus dem Schatten des Vaters, SULTAN, 55.
Abdullah
(Arabisch – mit Untertitel)
Was ist das für ein Mann?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Welcher Mann?
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Mit dem du da vorne geredet hast.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Es ist mit der Frau verheiratet, die ich auf der Toilette kennengelernt habe. Er sagt, dass die Seilbahn pünktlich abfährt.
Abdullah schaut beifallheischend zum Vater. Dann wendet er sich wieder an seine Schwester:
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Ich verbiete dir, mit fremden Männern zu reden.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Nächstes Mal ziehst du die Erkundigungen ein – mit deinen perfekten Sprachkenntnissen.
Tante NOURA (45) steckt wie Hessa in schwarzem Überkleid.
Noura
(Arabisch – mit Untertiteln)
Bleibt noch etwas Zeit, auf die Terrasse zu gehen?
AUSS. gLETSCHERRESTAURANT / terrasse – TAG
Während im Hintergrund die Seilbahngondel heraufkommt, tut sich HESSAS FAMILIE – etwas zitternd – auf der Terrasse zwischen ein paar RAUCHERN um.
ABDULLAH kratzt einen Schneeball zusammen – rutscht, als er ihn schleudern will, aus und landet auf dem Hintern.
HESSA lacht.
Auss. Seilbahn / bergstation – TAG
HESSAS FAMILIE drängt als letzte in die Gondel. Hinter ihnen schließen sich die Türen.
I./A. seilbahngondel – tAG
ABDULLAH schirmt mit ausgebreiteten Armen die FRAUEN der Familie vom Rest der FAHRGÄSTE ab.
HESSA und NOURA schauen durch die Scheibe der sich senkenden Kabine.
Im Tal ist eine Ortschaft auszumachen.
NOURA
(Arabisch mit Untertiteln)
Da unten ist Amna.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Nein, das ist Grainau.
Noura
Grainau?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Amna ist in Garmisch.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wo ist Garmisch?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Da drüben – glaub’ ich . . .
Sie zeigt nach Osten – wendet sich an eine neben ihr stehen JUNGE FRAU.
Hessa (NOCH)
(auf Deutsch)
Entschuldigen Sie, aber wo genau befindet sich Garmisch?
Die DEUTSCHEN schauen das verschleierte Wesen an, welches ihre Sprache spricht.
Junge FRAU
Garmisch ist da drüben.
Zeigt nach rechts.
HESSA
Meine Kusine ist dort – in der Schönsicht Klinik. Sie macht eine Suppen-Kur.
älterer Mann
Sie sprechen aber gut Deutsch.
HESSA
Danke.
ÄLTERER MANN
Wo haben Sie das denn gelernt?
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Woher kennst du den Mann?
Älterer MANN
Was hat er gesagt?
HESSA
Das ist mein Bruder, Abdullah.
ÄLTERER MANN
Angenehm, Schröder.
Er reicht Abdullah die Hand. Dieser – schüttelt sie.
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln – zu Hessa)
Was hast du ihm gesagt?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Nichts.
(leise auf Deutsch)
Nur, dass du Idiot bist . . .
AUSS. seilBAHN / talstation – TAG
MEHMET, der deutsch-arabische Fahrer der Familie, lehnt an einer Limousine und spielt ein Geschicklichkeitsspiel auf seinem Smartphone.
Die Gondel fährt ein, ihre Türen springen auf. Die FAHRGÄSTE quellen heraus, als letztes die ARABISCHE FAMILIE, HESSA Abschiedsgesten wechselnd mit der JUNGEN FRAU. Sie winkt ihr nach.
Die Familie strebt zu der Limousine. Mehmet hält die Türen auf.
Die junge Frau wurde von ihrem FREUND erwartet. Er winkt. Sie rennt in seine Armen, die beiden küssen sich.
NOURA verharrt im Einsteigen. ABDULLAH gibt einen LAUT DES MISSFALLENS von sich.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Das ist bestimmt ihr Bruder.
AUSS. falknerei – tag
FALKE kreist aus dem blauen Himmel steil hinab auf den Handschuh eines FALKNERS – bei dem SULTAN und ABDULLAH stehen.
HESSA beobachtet entfernt von einem Tisch mit Kaffee und Kuchen aus, an dem sie mit ihrer Tante NOURA sitzt, wie Vater und Bruder mit dem Falkner fachsimpeln.
AUSS. autobahn / Chiemgau – tAG
Falkenbox auf dem Dachgepäckträger der Limousine.
Sie rast dahin vorm Alpenpanorama des Chiemgaus.
AUSS. WINDHUND-ZUCHTSTÄTTE – tAG
SLOUGHIS jagen über Wiese.
SULTAN und ABDULLAH stehen bei dem ZÜCHTER.
Während HESSA und NOURA das Geschehen – wieder aus der Ferne beobachten – bei Kaffee und Kuchen.
Hessa hat ihr Smartphone in der Hand.
Amna (O.S.)
(Telefonstimme – arabisch – mit Untertiteln)
Diese Suppen bringen mich um – morgens, mittags, abends – dünn sind sie und schmecken wie Meerwasser . . .
HESSA
Hast du wenigstens viel Zeit, Deutsch zu lernen.
ANZEIGEFLÄCHE DES SMARTPHONES
AMNA, Hessas rundliche Cousine, im Skype-Rahmen.
AMNA
(Telefonstimme – arabisch – mit Untertiteln)
Hör’ bloß auf mit dieser unmöglichen Sprache.
(auf deutsch – mit Aussprechschwierigkeiten)
Frucht…
(arabisch)
Kannst du das aussprechen?
HESSA
(Deutsch – Aussprechschwierigkeiten)
Frucht . . .
(weiter – mit Aussprechschwierigkeiten)
Zwanzig – Eichhörnchen …
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Siehst du, kein normaler Mensch beherrscht diese Sprache.
HESSA
(nochmal)
Eichhörnchen . . .
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Und? Was habt ihr heute noch alles angestellt?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Hab’ ich dir doch alles schon erzählt – das ist jetzt der fünfte Windhund-Züchter, den wir besuchen.
AMNA
(auf Deutsch)
Du langweilst dich . . .
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
In deiner Diät-Klinik hast du bestimmt mehr Abwechslung.
AMNA
(auf Deutsch)
Was ist mit Oktoberfest?
HESSA
Da darf ich leider nicht hin. Abdullah war schon zweimal da.
AMNA
Trinkt er dort Bier?
HESSA
Bestimmt. – Als Frau brauchst du auch ein Dirndl, um hinzugehen.
AMNA
Hast du keins?
HESSA
Wozu denn? Ich darf ja doch nicht hin.
AMNA
Du musst auf jeden Fall eins kaufen. Im Holareidulijö.
HESSA
Wo??
AMNA
Ich schick’ dir den Link, das ist Münchens bester Dirndl-Laden.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Was redet ihr da die ganz Zeit? – Gib’ mir mal.
Nimmt Hessa das Smartphone aus der Hand.
NOURA (NOCH)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Noura? Hier spricht Mama.
AmNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Mama. Wann holt ihr mich hier heraus?
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wenn du wieder in dein Brautkleid passt, mein Schatz.
AUSS. autOBAHN – tag
Limousine mit Falkenbox auf dem Dachgepäckträger saust vorbei – zieht einen einachsigen Transportanhänger hinter sich her, auf den farbige Schatten von Windhunden lackiert sind.
I./A. limousine – tag
Neben NOURA auf der Rückbank sitzt HESSA, über ihr Smartphone gebeugt.
ANZEIGEFLÄCHE DES SMARTPHONES
Im WhatsApp-Fenster wird auf ein Link geklickt. Es öffnet sich die Homepage des “Holareidulijö”.
Menüpunkt “Trachten und Lederhosen”
Bilder von Puppen in Drindln.
Ein besonders schönes zeigt Hessa ihrer Tante herüber.
AUSS. nobelrestaurant – tAG
Durch die Fensterfront sind im Inneren KELLNER zu sehen, die Prunk-Tabletts voller Hamburger und Pommes an den Tisch bringen, an welchem HESSAS FAMILIE sitzt.
Gespiegelt in dem Fensterglas sieht man MÄNNER IN LEDERHOSEN und FRAUEN IN DIRNDLN vorbeiziehen.
HESSA steht auf und begibt sich in Richtung Toiletten.
Inn. Nobelrestaurant / gang – tAG
Eine FRAU IN DIRNDL verschwindet in der Damen-Toilette. Eine ANDERE kommt heraus.
Gefolgt von HESSA – die sich anschickt, zurück in Richtung Restaurant zu gehen. Aber BESCHWINGTE STRASSENGERÄUSCHE, die kurz wie durch eine nach außen geöffnete Türe lauter werden, lenken sie ab.
Sie begibt sich – nach kurzem Zögern – in die Richtung, aus welcher diese erklangen.
AUSS. nobelrestaurant / seitenausgang – tAG
FRAU IN DIRNDL kommt heraus – gefolgt von HESSA, die sich neugierig umsieht.
Auf der Straße zieht der TRACHTEN- UND SCHÜTZENZUG des Oktoberfestes vorbei.
Hessa macht Aufnahmen mit ihrem Smartphone.
Sie winkt den TEILNEHMERN des Zuges zu. Nimmt ihre Gesichtsschleier ab, damit diese nicht abgeschreckt werden, zurück zu winken.
Vor einer Horde ausgelassener AUSTRALIER weicht sie zurück – durch den Seiteneingang wieder ins Innere des Nobelrestaurant.
AUSS. NOBEL-HOTEL – ABEND
Eine Gruppe aufgeregt miteinander redender ARABER kommt aus dem Haupteingang, geht den Bürgersteig hinunter.
Dort mustert eine POLITESSE einen abgestellten Transportanhänger, auf den farbige Umrisse von Windhunden lackiert sind – zuckt zurück, als sie daraus ANGEBELLT wird.
Inn. nobEl-Hotel / Suite / zimmer hessa – ABEND
Der TV-Flachbildschirm gibt diverse Programme wieder – ARABISCHE SENDER, CNN, MUSIK-KANAL . . . -, zwischen denen herumgeschaltet wird.
Bleibt schließlich stehen auf der Oktoberfest-Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks.
HESSA in Jeans und T-Shirt legt die Fernbedienung aus der Hand. Betrachtet das merkwürdige, sie aber faszinierende Treiben auf dem Bildschirm.
Da geht die Türe auf, ihre Tante erscheint. Unverschleiert erkennen wir NOURA erst gar nicht.
Inn. NOBEL-HOTEL / SUITE / wohnzimmer – ABEND
NOURA (jetzt erkennen wir sie an ihrem schleppenden Gang) kommt mit HESSA.
MEHMET, der Fahrer, steht bei Hessas Vater SULTAN.
Sultan
(Arabisch – mit Untertiteln – zu Hessa)
Ich versteh’ nicht, was er von mir will.
(zu Mehment)
Your agency said that you speak perfect English.
MEHMET
(deutsche Akzent)
Yes, I can English. But if you are in Stuttgart, wo fährt around die ladies?
Sultan blickt zu Hessa.
HESSA
(zu Mehment)
Mein Vater versteht nicht, was Sie ihm sagen wollen.
MEHMET
(zu Hessa)
Ah so, ja, also, ich fahre doch morgen mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder nach Stuttgart, um die Spezialanfertigung abzuholen.
HESSA
Die Spezialanfertigung?
MEHMET
Den Mercedes, den Ihr Vater bestellt hat, ausgeschlagen mit blauem Kamelleder. – Aber wer fährt inzwischen euch Frauen hier in München?
HESSA
Sie sollten doch einen Ersatzmann besorgen.
MEHMET
Das versuche ich Ihrem Vater ja die ganze Zeit zu erklären. Der Ersatzmann kommt morgen früh.
(lächelt in Richtung Sultan)
No problem.
Der Vater schaut Hessa fragend an.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Er sagt, alles geht in Ordnung. Es kommt ein anderer Chauffeur, der uns Frauen fährt.
Sultan nickt in würdevollem Einverständnis in Richtung Mehments.
HeSSA (NOCH)
(zu Mehment)
Wie heißt der Fahrer denn?
MehMET
Paul.
HESSA
Und weiter?
MEHMET
Mensch, den Nachnahmen weiß ich jetzt nicht. – Paul. Er ist total in Ordnung.
HESSA
Weiß er, dass er Amna abholen muss?
MEHMET
. . . ?
HESSA
Meine Kusine. Sie muss auch noch abgeholt werden. Aus der Schönsicht-Klinik, in Garmisch.
Mehmet verarbeitet die Informationen.
MEHMET
Da wird er sich schon drum kümmern.
(zu Sultan)
No Problem.
Inn. nobEl-Hotel / Suite / zimmer hessa – ABEND
SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE
AMNA im Skype-Rahmen
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Aber ich habe meine Abschlussuntersuchung erst am späten Nachmittag.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Dann holt Paul dich danach ab, am Abend.
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Und wir fliegen wirklich schon am nächsten Morgen?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Allerdings. Oder willst du spät zu deiner Hochzeit kommen?
(. . .)
Lass uns ein bisschen Deutsch reden!
AMNA
Gehst du noch auf’s Oktoberbest?
HESSA
Vater erlaubt er nicht.
AMNA
War Abdullah da?
HESSA
Jetzt schon zum dritten Mal.
Sie richtet die Smartphone-Kamera auf den Flachbildschirm an der Wand, der TV-Bilder wiedergibt vom Oktoberfest.
HESSA (NOCH)
Amna?
AmnA
Ja?
HESSA
I’m terrible!
AMNA
Why would you say that, dear?
HESSA
Ich bin undankbar. Der Urlaub war fantastisch. Aber ich hab’ mir mehr erwartet.
AMNA
Was – “mehr”?
HESSA
Ich hätte mich gerne mehr mit den Menschen hier unterhalten. – Wozu haben wir denn Deutsch gelernt?
AMNA
Hier in der Klinik habe ich mich schon mit Deutschen unterhalten.
HESSA
Weil du nicht immer den blöden Schleier vor dem Gesicht hattest. Das schreckt die Deutschen ab.
AMNA
Komm’ mich doch besuchen. In meinem Zimmer ist ein Bett frei. Hier kannst du jede Menge deutsch reden.
HESSA
Ich kann nicht. Muss morgen einkaufen gehen mit den alten Frauen.
AMNA
Mit welchen Frauen?
HESSA
Mit deiner Mutter – und ihren Freundinnen, die sie hier im Hotel kennengelernt hat.
AMNA
Du Arme . . .
HESSA
Aber weißt du was? Ich werd’ mir ein Dirndl kaufen! Und das ziehe ich an und fahre so aufs Oktoberfest.
AMNA
. . .
HESSA
Amna? – Ich hab’ doch nur Spaß gemacht!
Inn. NOBEL-HOTEL / SUITE / wohnzimmer – NACHT
In die Dunkelheit des Raumes fällt aus der sich öffnenden Türe ein Lichtschacht vom Hotelgang.
ABDULLAH torkelt herein.
Er schließt die Türe hinter sich, den Raum wieder in Dunkelheit tauchend.
KRACH, indem etwas umgestossen wird, gefolgt von VERWANDTEN GERÄUSCHEN.
Die Raumbeleuchtung flammt auf.
SULTAN steht im Nachtmantel an der Türe zum Schlafzimmer.
Der betrunkene Abdullah setzt ein blödes Lächeln auf und vollführt eine wackelige Begrüßungsgeste in Richtung seines Vaters.
SPÄTER
Der zerzauste Abdullah schläft auf der Couch des wieder verdunkelten Raumes.
HESSA kommt im Schlafanzug herein, holt sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank hinter der Bar.
Sie bemerkt den SCHNARCHENDEN Bruder.
NAH
Abdullahs Smartphone ist auf den Boden gefallen.
Hessa hebt es auf, legt es zurück auf den kleinen Tisch neben der Couch.
Dann nimmt sie es wieder und überprüft den Inhalt.
Smartphone-Lautsprecher:
OKTOBERFEST-GERÄUSCHE
SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE
Schwenk über die SINGENDE MEUTE eines Bierzeltes – auf Abdullah mit Selbstfoto-Stab zwischen zwei DRINDL-BRÄUTEN.
ABDULLAH
(Verschlafen – arabisch – mit Untertiteln)
Was ist denn los . . .? – Gib’ mir das!
Er langt nach seinem Smartphone.
Hessa
(Arabisch – mit Untertiteln)
Tagen die Frauen auf dem Oktoberfest alle Dirndl?
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Was geht dich das an? Gib mir mein Telefon.
Hessa lässt es zu Boden fallen.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Oh – Entschuldigung . . .
Sie geht zurück in ihr Zimmer.
AUSS. edelboutique – tag
In vor der Boutique parkendem Mercedes E-Klasse-Kombi wartet PAUL (24), strubbeliger Hipster, hinter dem Steuer.
Es ist ein warmer Spätsommer-Tag.
Ein robuster TAXLER erblickt und erkennt Paul aus dem Fenster seines vorbeifahrenden Wagens.
SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE
Online-Poker-Spiel – Karten wandern hin und her . . .
ANRUFTON.
PAUL hebt sein Smartphone ans Ohr.
PAUL
Ja? – Ja, alles in Ordnung. Ich hab’ sie zu dem Laden gebracht, den du mir gesagt hast. Weiter geht es dann – warte mal . . .
(konsultiert Haftnotiz an Armaturenbrett) )
. . . zur Schuh-Boutique!
I./A. limousine / Autobahn – tag
MEHMET steuert über die Autobahn. Hintern sitzen SULTAN und ABDULLAH.
MEHMET
Okay. Ja. – Und vergiss nicht: morgen abend dann noch die Dicke aus dieser Klinik abholen, in . . .
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
PAUL
(ins Smartphone)
Garmisch, ja ich weiß. Hast du mir jetzt schon tausendmal gesagt.
I./A. limousine / Autobahn – tag
MEHMET
(ins Smartphone)
Mann, ich hätt’ es ja selber gemacht. Aber da lotse ich wahrscheinlich gerade den Scheich und seinen Sohn zurück nach München.
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
PAUL
(ins Smartphone)
Geht schon in Ordnung. – Moment mal!
Er nimmt das Smartphone vom Ohr und tappt darauf herum.
SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE
Online-Poker-Spiel . . .
I./A. limousine / Autobahn – tag
MEHMET
(ins Smartphone)
Paul? Bist du noch dran?
SULTAN und ABDULLAH schauen sich an.
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
Im Hintergrund sieht man ein Gruppe VERSCHLEIERTER FRAUEN aus der Edelboutique kommen.
PAUL beendet seine Manipulation der Smartphone-Fläche und hebt das Gerät ans Ohr.
PAUL
(ins Smartphone)
Mehmet, ich muss jetzt Schluss machen! Sie kommen gerade aus dem Laden.
I./A. limousine / Autobahn – tag
MEHMET
(ins Smartphone)
Okay, Mann. Bau bloß keinen Mist.
Er legt sein Smartphone zurück auf die Mittelkonsole. Dreht sich dann kurz zu SULTAN und ABDULLAH.
MEHMET (NOCH)
(Daumen nach oben)
Everything okay. No problem!
AUSS. edelboutique – tag
PAUL (24) steigt aus dem Wagen – öffnete die Ladeklappe für die Einkaufstüten der ARABERINNEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN.
Sie steigen hinten ein.
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
HESSA klettert als letzte zu PAUL auf den Beifahrer-Sitz.
Dieser tippt auf die Haft-Notiz.
PAUL
Zur Schuh-Boutique?
HESSA
Bringen wir’s hinter uns.
AUSS. edelboutique – tag
Das E-Klasse-Kombi parkt aus, fährt los und biegt, gefolgt von dem plötzlich auftauchenden Wagen des robusten TAXLERS, in die nächste Seiten-Straße. Dort hält es schon wieder an – in zweiter Reihe.
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
PAUL zeigt schrägt durch die Frontscheibe.
PAUL
(zu Hessa)
Da vorne ist die Schuhboutique. Ich kann hier leider nicht parken. Ich fahre rum, und Sie rufen mich an, wenn ich kommen soll.
HESSA
(seufzt)
In Ordnung.
GEHUPE der hinter Paul aufgestauten weiteren Fahrzeug.
Er hängt seinen Arm aus dem Fenster und lässt ihn kreisen: dass man an ihm vorbeifährt.
Als erster überholt der TAXLER, böse zu Paul hereinschauend, der’s mit einem Schulterzucken weglächelt.
AUSS. SCHUHBOUTIQUE – tag
Die FRAUEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN steigen wieder aus dem E-Klasse-Kombi.
Kaum hat die letzte die Türe zugeschlagen, setzt dieses im Rückwärtsgang auf die Hauptstrasse und prescht davon.
Die Frauen schauen erstaunt hinterher, bevor sie in dem Laden verschwinden.
AUSS. KIOSK – tag
Das E-Klasse-Kombi parkt am Straßenrand – von hinten nähert sich ihm der TAXLER, parkt seinen Wagen.
Die Sonne scheint und wärmt die Umgebung.
PAUL steht an einem Stehtisch mit Bierflasche darauf, über sein Smartphone gebeugt.
SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE
Online-Poker-Spiel – Karten wandern hin und her . . .
Taxler (o.S.)
So sieht man sich wieder.
Paul blickt auf – will im ersten Moment weglaufen. Setzt dann aber ein Willkommenslächeln auf.
PAUL
He, Mann, ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist.
TAXLER
Dasselbe wollte ich gerade von dir sagen. Hättest dich sonst doch, wie abgemacht, bei mir gemeldet.
PAUL
Mir ist was dazwischen gekommen.
TAXLER
Macht nichts, ich hab’ dich ja auch so gefunden.
Er legt seinen Schlüsselbund wie einen Schlagring auf den Tisch.
Paul nimmt einen nervösen Schluck aus seiner Flasche. Hält sie dann in Richtung des Taxlers.
PAUL
Bier?
TAXLER
Willst du mich einladen, aus deiner Flasche zu trinken?
PAUL
Du kriegst dein Geld.
TAXLER
. . .
PAUL
Ich hab’s im Wagen.
TAXLER
Dann hol’ es, jetzt.
Paul schnappt sich den Schlüsselbund des Taxlers und wirft ihn in den Gully. Dann schubst er den Kerl weg, rennt in Richtung seines Wagens.
Als er seine Chauffeursmütze verliert, kehrt er nochmal zurück, bückt sich danach. Fast erwischt der Taxler ihn dabei.
Paul springt hinters Steuer seines Wagens und prescht davon.
AUSS. SCHUHBOUTIQUE – tag
Wagen mit PAUL am Steuer hält in zweiter Reihe, während die tütenbepackten FRAUEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN zusteigen.
Wagen fährt los.
Auss. Innenstandt – tag
E-Klasse-Kombi fährt durch Altstadt.
Inn. Modeladen / umkleidekabine – tag
HESSA legt ihr schwarzes Überkleid ab. Sie trägt Jeans und T-Shirt. Probiert einen Designer-Mantel an, der von überdimensionalen Klammern zusammen gehalten wird.
Jetzt sieht sie aus wie eine Model.
ZÜNFTIGE BIERGARTEN MUSIK dringt durch ein geschlossenes Fenster, welches Hessa – hinter einem schweren Vorhang – entdeckt.
Sie stemmt es auf.
I./A. blick aus der umkleidekabine – tag
Im Hof sind die Tische und Stühle eines kleinen Biergartens herausgestellt worden.
Die GÄSTE wirken animiert – dazwischen balancieren zwei KELLNERINNEN die Bestellungen.
Der TROMPETER der KAPELLE hat sich auf einen der Tische gestellt und spielt ein melancholisches Solo.
HESSA schaut herunter auf die Szene.
NOURA (O.S.)
Hessa!
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Was ist?
NOURA (O.S.)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Brauchst du Hilfe?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Nein! Es ist alles in Ordnung!
InN. mODELANDEN – TAG
HESSA kommt, wieder im schwarzen Überkleid, aus der Umkleidekabine.
Die ANDEREN FRAUEN stehen in unterschiedlichen Modekleidern vor den Spiegeln, während Hessa ihren Mantel der VERKÄUFERIN aushändigt.
Verkäuferin
You like it?
Hessa
Ist schön, aber ich hab’ schon so viele davon.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Was ist los? Warum gibst du ihn zurück?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Ich hasse diese Klamotten.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Aber das ist Prada.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Alle tragen wir Prada. Ich will ein Drindl haben!
NOURA
(zur Verkäuferin)
Do you have Drindls?
VerKäUFERIN
Of course. You please come this way.
Aber Hessa kommt nicht.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Geh’ mit der Verkäuferin. Was hast du?
HeSSA
(Arabisch mit Untertiteln)
Ich will kein Dirndl aus so einem teuren Laden. Ich will ein richtiges.
Die Verkäuferin lächelt geduldig, versteht aber selbstverständlich kein Wort.
Hessa zieht ihr Smartphone hervor und holt etwas auf dessen Oberfläche, hält es der Verkäuferin hin.
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Homepage des “Holareidulijö”.
HESSA (NOCH)
Ist das weit von hier?
VERKäUFERIN
Schellingstraße – das liegt in der Maxvorstadt.
(Blick zur Tante)
Das sind dort aber alles gebrauchte Kleider.
NOURA
What you say?
Sie kommt heran, um mit einen Blick zu werfen.
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Galerie verschiedener Trachten- und Dirndl-Bilder, eines bleibt stehen.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Guck’ mal hier – ist das . . .
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
. . . nicht schön?
HESSA – auf dem Rücksitz neben NOURA – lässt ihr Smartphone sinken.
Die FRAUEN IM ÜBERKLEID schicken sich an, den Wagen zu verlassen.
Auss. Nobel-hotel – tag
PAUL überreicht die Einkaufstüten aus dem Laderaum des Kombis an die FRAUEN IM SCHWARZEN ÜBERKLEID, welche damit im Hotel-Eingang verschwinden.
Als er zurück hinter das Steuer klettert – sitzt in ihrem Überkleid HESSA mit ihren Einkaufstüten auf dem Schoß auf dem Beifahrersitz.
NOURA klopft gegen das Fenster der Fahrerseite.
Paul lässt es herunter
NOURA
You bring her to Holareidulijö, for Drindl purchase. Then back to hotel!
HESSA
(Arabisch – mit Untertitel)
Lass’ mal, ich erklär’s ihm schon.
(zu Paul – deutsch)
Wir fahren jetzt noch ein Dirndl kaufen, im Holareidulijö!
PAUL
Holareidulijö?
Hessa hält ihr Smartphone hoch.
HESSA
Ich hab’s hier schon auf dem Navi!
I./A. E-Klasse-Kombi / strassenkreuzung – tAG
Der Wagen hält an einer Straßenkreuzung, nach einem unschlüssigen Moment – blinkt er links.
HESSA (O.S.)
Nein, rechts!
Sie konsultiert weiter ihr Smartphone.
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Wurmartige blaue Strecke auf Google-Maps-Ausschnitt von München.
HESSA (O.S.) (NOCH)
Dann wieder links – und zweimal rechts.
Sie blickt von ihrem Handy auf.
HESSA (NOCH)
Dann sind wir da!
PAUL setzt den rechten Blinker.
AUSS. holareidulijÖ – tAG
Das E-Klasse-Kombi parkt vor dem Laden, in dessen Ausgang PAUL herumlauert.
Inn. HolAREIDULIJÖ – tAG
VOLKSTÜMLICHE MUSIK kommt von einem Flachbildschirm, der weiter oben an der Wand Oktoberfest-Programm zeigt.
HESSA kommt in Lederhosen und einem Trachtenjanker aus der Umkeidekabine.
Sie dreht sich im Spiegel, an dem ihr schwarzes Überkleid herunterhängt über den Einkaufstüten der Edelboutique.
Sie sieht entzückend aus!
Die VERKÄUFERIN kommt mit einem Arm voller Dirndl.
VERKäUFERIN
(bayerisch)
So, die wären ungefähr in Ihrer Größe.
PAUL in der Türe richtet sich auf.
AUSS. holareidulijÖ – tAG
An dem geparkten E-Klasse-Kombi fährt, langsamer werdend, ein Taxi vorbei.
Inn. HolAREIDULIJÖ – tAG
MONTAGE
HESSA dreht sich in mehreren Dirndln vor dem Spiegel.
Die VERKÄUFERIN betrachtet sie mit bayerischer Langmut.
HESSA
(schließlich)
Das nehm’ ich.
VERKäUFERIN
Behalten Sie’s gleich an?
Hessa denkt nach – blickt hoch zu dem Flachbildschirm, der das Oktoberfestgeschehen wiedergibt.
Das schwarze Überkleid verschwindet in der Einkaufstüte der Edelboutique.
Hessa, im Dirndl, bezahlt und geht nach draußen.
AUSS. holareidulijÖ – tAG
HESSA – im Dirndl – nähert sich dem E-Klasse-Kombi.
Aber wo ist der Fahrer?
Die Türen des Fahrzeugs sind verschlossen.
Inn. hOLAREIDULIJö – tAG
HESSA – mit ihrer Einkaufstüte – kommt suchenden Blicks zurück in den Laden.
VERKäUFERIN
Haben Sie etwas vergessen?
HESSA
Nein – ich . . . Da ist er ja.
Sie hat PAUL im Schatten eines der Garderobenständer entdeckt.
HESSA (NOCH)
(zu Paul)
Fahren wir?
Paul
Kein Problem.
Er kommt aus seinem “Versteck” hervor.
AUSS. holareidulijÖ – tAG
PAUL folgt HESSA ins Freie.
Sie reicht ihm ihr Smartphone und bedeutet, ein Foto von ihr zu machen.
Paul knipst das Foto und gibt ihr die Kamera zurück.
Hessa nimmt sie und geht mit ihrer Edelboutiquen-Tüte zur Beifahrertüre.
Er schaut sich nochmal um, bevor der aufschließt.
I./A. E-Klasse-Kombi – tAG
PAUL fährt los.
PAUL
Jetzt wieder zum Hotel?
HESSA
Wie weit ist es zum Oktoberfest?
PAUL
2 bis 3 Kilometer.
HESSA
Dann fahren wir erst zum Oktoberfest. Danach ins Hotel.
Paul zögert.
Dann startet er den Wagen.
AUSS. THERESIENWIESE / VERKEHRSINSEL – nachmittag
Der E-Klasse-Kombi bewegt sich im Schritt-Tempo durch das Gewühl aus Menschen und Fahrzeugen vor dem Nordeingang der Festwiesen.
I./A. E-Klasse-Kombi – nachmittag
Ausgelassene OKTOBERFEST-GÄSTE legen sich über den Kühler oder drücken ihre Nase platt an den Autofenstern.
Paul
Hier finden wir keinen Parkplatz.
PAUL HUPT.
Paul (NOCH)
Heh, ihr Penner!
(zu Hessa)
Ich muss weiter weg parken. Willst du, wollen Sie hier schon mal aussteigen?
Hessa, welche die Szene fasziniert betrachtet hat, kommt zu sich.
HESSA
Nein, du musst bei mir bleiben.
AUSS. strasse bei bahnhof – nachmittag
Der E-Klasse-Kombi wühlt im Verkehr vorbei, biegt in eine kleinere Seitenstrasse.
Auss. nebenstrasse bei bahnhof – nachmittag
E-Klasse-Kombi parkt in eine Lücke.
PAUL kommt zu HESSA. In ihrem Dirndl sieht sie aus wie jede andere internationale Oktoberfest-Besucherin, nur hübscher.
HESSA
In welche Richtung müssen wir gehen?
Pauls Blick wird von etwas in dem Wagen gefesselt.
BLICK IN DEN WAGEN
Im Laderaum sind Hessas Luxus-Boutique-Einkaufstüten zu sehen.
PaUL
Die nehmen wir besser mit. Sonst schlägt uns noch jemand die Scheiben ein.
AUSS. strasse bei bahnhof – nachmittag
PAUL und HESSA überqueren die Straße.
Sie tragen die Einkaufstüten, steuern damit zu auf den Hauptbahnhof.
I./a. Bahnhofshalle – nachmittag
HESSA folgt PAUL durch die OKTOBERFEST-ATMOSPHÄRE der Bahnhofshalle.
Inn. schliessfächer – nachmittag
PAUL öffnet eines der Schließfächer, HESSA verstaut ihre Einkaufstüten darin.
Stopft Teile ihres schwarzes Überkleides, die etwas herausquellen, zurück.
Paul schließt ab, gibt Hessa den Schlüssel.
PAUL
So, und jetzt zum Oktoberfest!
HESSA
Ist es weit?
PAUL
Ein Stückchen laufend müssen wir schon.
Auss. Ludwigvorstadt – nachmittag
PAUL und HESSA laufen – unter den herrlichen BAUDENKMÄLERN der Ludwigsvorstadt, an denen Hessa immer wieder heraufschaut – im BESUCHERSTROM Richtung Oktoberfest.
AUSS. oktoberfest – nachmittag
HESSA schiebt sich im Schlepp von PAUL über die Festwiese.
Ihre begeisterten Augen nehmen alles herein.
PAUL sieht unter den Oktoberfest-Besuchern vor ihnen JEMAND, der von hinten wie der Taxler aussieht.
Bevor dieser sich umdrehen kann, zieht Paul HESSA in den Eingangsbereich einer Bierzelt.
Inn. bierZELT – nachmittag
PAUL bugsiert die sich umschauende HESSA an einen der Tische, wo die BEDIENUNG die Bestellungen aufnimmt.
PaUL
Zweimal alkoholfrei bitte.
Bedienung
Zweimal alkoholfrei.
Sie wühlt sich davon.
Vom Eingang her folgt der etwas verträumte ALEX (25) der zielbewussten Dirndl-Trägerin STEFFI (22).
Sie stellt ihren Formkoffer neben Paul und Hessa auf den Tisch, öffnet ihn und holt Teile einer Trompete hervor.
Während Alex im Hintergrund die Bedienung abfängt.
Hessa beobachtet, wie Steffi ihre Trompete zusammensteckt.
Alex kommt an den Tisch.
Alex
(zu Hessa und Paul)
Hi!
HESSA
Hi!
Paul nickt.
Steffi will sich mit ihrer Trompete auf den Weg machen.
Alex hält sie zurück.
Alex
Ich hab’ uns was zu trinken bestellt.
Steffi
Ich bin spät dran.
ALEX
Ein Bier kannst du noch trinken.
Steffi gibt ihm einen Kuss.
STEFFI
Ich komm’ gleich nochmal zurück!
Sie bahnt sich mit ihrer Trompete den Weg zur Bühne der BLASKAPELLE, wo man sie bereits erwartet.
Dort setzt sie die Trompete an und spielt hörbar mit, gleich ein kleines Solo, das am Ende der Nummer BEKLATSCHT wird.
Alex lässt die Hände sinken und blickt zu Hessa und Paul.
ALEX
(stolz)
My girl friend.
PAUL
Du kannst ruhig deutsch sprechen.
ALEX
Ihr seid Deutsche?
HESSA
(arabischer Akzent)
Klar, was hast du denn gedacht.
Die Bedienung stellt das Bier ab.
BEDIENUNG
Zwei Bier, zwei Alkoholfreie. 45 Euro.
HESSA
Das übernehme ich.
Sucht in der Schürze ihres Dirndls.
HESSA (NOCH)
(zu Paul)
Ich glaub’, mein Portemonnaie ist in dem Bahnhofsschließfach.
Paul
Ich hab’ auch kein Geld.
BEDIENUNG
Dann nehm’ ich’s wieder mit.
Sie sammelt die Maßkrüge ein.
AlEX
Halt’, ich bezahl das schon.
Bedienung verteilt die Maßkrüge wieder auf dem Tisch, während Alex seine Geldbörse hervorkramt und ihr 45 Euro in die Hand drückt.
AlEX (NOCH)
Stimmt so!
Alle stoßen an.
hessa
Prost.
ALEX
Prost.
PAUL
Prost.
Sie trinken.
Alex schüttelt Hessa die Hand.
ALEX
Alex.
Von der Blaskapellen-Bühne wirft Steffi ein zweites Solo ein.
HESSA
Ist das deine Schwester?
ALEX
Meine Freundin. Sie studiert an der Musikhochschule.
HESSA
Und du?
ALEX
An der Filmhochschule.
Er hebt seinen Bierkrug, und sie trink mit ihm.
HESSA
Du studierst Film?
ALEX
Filmregie. Die Filmhochschule ist gleich neben der Musikhochschule.
Paul erhebt sich.
Paul
Ich müsste mal kurz für kleine Jungs.
Pissoir
PAUL erleichtert sich in der Blech-Rinne, bemerkt, dass – TAXLER neben ihm steht.
Im nächsten Moment hat dieser seinen Arm auf den Rücken gedreht.
PAUL
He, lass mich mein verdammtes Ding wieder reintun.
TAXLER
(zischt ihm von hinten ins Ohr)
Nochmal verarscht du mich nicht, du Wichser!
AM BIERTISCH
Hessa schunkelt mit Alex und einer Gruppe ausgelassener ENGLÄNDERINNEN in Drindl.
ALLE SINGEN
I brauch ka grosse Welt . . .
Alex nimmt einen Schluck von seinem Bier – hält das Glas der Bedienung in den Weg.
AlEX
Das schmeckt wie alkoholfrei.
Bedienung riecht daran.
BEDIENUNG
Das ist alkoholfrei.
Alex schaut zu Hessa, die ihren Krug leert, und animiert in das Schunkeln einfällt.
Hessa
(singt laut)
I will ham nach Fürstenfeld!
AUSS. oKTOBERFEST / Geldautomat – ABEND
AUSGABEFACH öffnet sich für Bündel von 50-Euro-Scheinen.
TAXLER nimmt sie PAUL aus der Hand, zählt nach.
TAXLER
(Geld wegsteckend)
Stimmt.
PAUL
Ich krieg noch 20 Wechselgeld.
TAXLER
Das sind Zinsen, mein Lieber. Und dabei zahl noch drauf. Bis nächstes Mal.
Ein JAPANER, der sich inzwischen an dem Geldautomat zu schaffen gemacht hat, hält Paul eine EC-Karte hin.
Japaner
Is this yours?
Paul nimmt sie ihm aus der Hand, ohne sich zu bedanken.
Inn. bieRZELT – ABEND
PAUL kommt herein.
Er taucht auf am Tisch von ALEX. Erblickt keine HESSA.
Paul
Wo ist sie?
Alex
Die Frauen sind mit ihr auf die Toilette.
PAUL
Wann?
ALEX
20 Minuten.
PAUL
Seitdem ist sie nicht zurückgekommen?
Alex zuckt mit den Schultern.
ALEX
Das Bier war ihr nicht bekommen.
Leere Maß.
PAUL
Ist das ihr Glas?
Alex nickt.
Paul riecht daran.
PAUL (NOCH)
Das war ja ein Helles.
AlEX
Allerdings.
PAUL
Sie hat noch nie Alkohol getrunken. Ich hatte ihr ein alkoholfreies bestellt.
ALEX
Ach, du warst das.
VOR DER FRAUENTOILETTE
Paul hält Ausschau nach Hessa.
Drei BETRUNKENE SLAWINNEN kommen heraus.
PAUL
Habt ihr eine Araberin da drin gesehen? In einem Drindl.
SLAWIN
(lallt)
We’re all Drindl!
Sie stülpt Paul ihren Oktoberfest-Hut über und küsst ihn auf die Wange, während ihre Freundinnen ein Foto davon machen.
Paul stößt sie beiseite, nähert sich dem Eingang zu den Toilettenkabinen und stellt sich auf die Zehenspitzen.
TOILTTENFRAU
Verpiss dich, du Spanner.
PAUL
Das ist nicht das, wonach es aussieht.
TOILTTENFRAU
Ja? Dann mach erst mal deinen Hosenstall zu.
Paul bemerkt, dass der noch aufsteht, und zieht den Reißverschluss hoch.
AUSS. okTOBERFEST – nacht
HESSA ist unterwegs mit den ausgelassenen ENGLÄNDERINNEN.
Sie fahren ACHTERBAHN.
Inzwischen sucht PAUL nach ihr . . .
SCHIESSBUDE
Hessa und die aufgedrehten Engländerinnen schießen einen riesigen Teddybären.
HAUT DEN LUKAS
Hessa schwingt den langen Hammer.
FLOHZIRKUS
Hessa und ihre Oktoberfestfreundinnen stürmen durch die Türe.
Inn. Flohzirkus – nacht
Drei Kreisel aus gemustertem Silberpapier liegen auf der Mini-Bühne.
Impresario
So, und da wäre unser Flohballett -unsere drei Damen, die einen Flohwalzer tanzen.
Die Kreise beginnen sich zu drehen.
Das PUBLIKUM klatscht. HESSA, die in der vorderen Ecke auf einem der wenigen Stühle sitzt, ebenfalls.
ImPRESARIO (NOCH)
Und hier unser Flohkarusell, gezogen von unserem starken August, und dies Karussell hat circa 35 Gramm.
Ein kleiner Floh zieht und dreht an einer dünnen Drahtdeichsel ein Karussell.
Während die anderen klatschen, zwinkert HESSA etwas mit den Augen.
IMPRESARIO (NOCH)
Der Theodor, der nimmt den Ball und schießt ihn immer wieder ins Tor. Einmal, zweimal, dreimal . . .
Ein Floh am Ende einer Nadel katapultiert kleine Bällchen, die man ihm gibt, in ein Mini-Tor.
HESSA ist eingenickt.
IMPRESARIO (NOCH)
Der Fridolin nimmt eine Scheibe auf und jongliert sie.
Die anderen Zuschauer schauen gebannt.
IMPRESARIO (NOCH)
Da ist hier unser Flohwagenrennen. Der Fritz aus Wien, der Christian aus Nürnberg und der Sam aus New York.
Der Impresario schließt den Schalter, aus dem heraus er die Bühne bediente, während das Publikum nach draußen drängt. Niemand bemerkt die eingeschlafene Hessa.
Das Licht wird gelöscht.
AusS. oktoberFEST – nacht
PAUL steht verloren herum, fasst sich ans Kinn.
PAUL
Scheiße!
InN. bierzelt – nacht
PAUL erscheint am Tisch von ALEX.
PAUL
Ist die wieder aufgetaucht?
AleX
Hier nicht.
Inn. FloHZIRKUS – NACHT
Der IMPRESARIO weckt HESSA auf.
IMPRESARIO
Hallo . . .
HESSA
Was ist denn?
IMPRESARIO
Sie können hier nicht schlafen.
AUSS. oktoberfest – naCHT
HESSA steht alleine vor dem Floh-Zirkus. Weiß nicht, wo sie hingehen soll.
InN. bierzelt – nacht
Aufbruchstimmung, die GÄSTE verlassen das Zelt.
STEFFI steht mit ihrer Trompete bei ALEX am Tisch.
AlEX
Dann kommst du also nicht mit nach Hause?
SteFFI
Nein.
ALEX
Und wo übernachtet ihr?
STEFFI
Im Hotel. Max hat für uns Zimmer gebucht. Wir spielen bis vier Uhr früh, danach hauen wir uns aufs Ohr.
ALEX
Du kannst doch auch um 4 nach Hause kommen.
STEFFI
Du wirst es ja mal zwei Nächte ohne mich aushalten. – Guck mich nicht so an mit diesen Hundeaugen. Ich kann jetzt diesen Stress nicht brauchen. Und wir brauchen das Geld.
KAPELLMEISTER
(aus der Ferne)
Steffi, kommst du? Wir müssen!
STEFFI
Ja doch, gleich!
Sie macht einen Kussmund. Alex drückt seine Lippen darauf.
Steffi (NOCH)
In zwei Tagen bin ich wieder zu Hause! Sei doch nicht so eifersüchtig.
Sie lässt Alex stehen.
AlEX
(lahm hinterher)
Ich bin nicht eifersüchtig.
AUSS. STRASSE in nähe Oktoberfest – nacht
ALEX kommt die Strasse herauf.
Dort steht HESSA, gegen die Hauswand gelehnt, und wird von zwei Hunden angebellt.
ALEX
(zu den Hunden)
Weg! Macht, dass ihr verschwindet! Weg!
Betrunkener JUGENDLICHR
Tyson! Merkel!
Er PFEIFFT – und die Hunde kommen zu ihm.
ALEX
Kann man die nicht mal an die Leine nehmen?
BETRUNKENER JUGENDLICHR
Die tun nichts!
Alex winkt ein Taxi heran.
Er löst Hessa von der Hauswand und bugsiert sie auf den Rücksitz des Wagen.
TAXIFAHRER
Wo soll die Reise denn hin gehen?
AlEX
(zu Hessa)
Wo soll er hinfahren?
HESSA
Sagt etwas Unverständliches auf Arabisch.
FAHRER
(zu Hessa)
Wo wohnen Sie?
HESSA
(lallt)
Oktoberfest!
FAHRER
Okay, ich hab’ keine Zeit für Spirenzchen. Das Geschäft brummt gerade. Sie soll aussteigen.
AlEX
Ist ja schon gut. Fahr’n Sie zur Jankstraße 15.
FAHRER
Jankstraße 15.
Fährt schon los.
ALEX
Moment!
Der Wagen stoppt. Alex gehrt herum und steigt auf den Beifahrersitz.
Auss. wohnhaus ALEX – nacht
Das Taxi hält an, ALEX steigt aus und holt HESSA vom Rücksitz, die schläfrig an seiner Schulter hängt.
Er bezahlt den FAHRER durchs Seitenfenster und bugsiert Hessa in Richtung Haustüre.
Inn. wohnhaus Alex / treppenhaus – nacht
ALEX schleppt HESSA über die KNARZENDEN Altbautreppen hinauf zu seiner Wohnung.
Inn. wohnung alex / FLUR – nacht
ALEX schiebt HESSA durch die Türe und stellt sie an der Wand ab, um den Lichtschalter zu finden.
Die Türe des Zimmers gegenüber steht offen und gewährt, im aufflammenden Flurlicht, den Blick auf eine junge Frau (Alex’ Schwester HANNE), die über einem Bett mit zwei Kindern (ihrem Sohn KARSON und ihrer Tochter METTE) eingeschlafen ist.
HESSA
Lallt etwas auf Arabisch.
ALEX
Pssst!
Hessa kotzt auf ihr Dirndl.
Alex kommt mit einem Küchenhandtuch und wischt das Erbrochene von dem Kleid.
InN. wohnung ALEX / ZIMMER STEFFI – nacht
ALEX bugsiert HESSA herein und setzt sie auf das Bett.
Hessa schaut sich um. Den Einrichtungsgegenständen nach wohnt hier eine Frau. Und sie spielt Trompete.
HESSA
(betrunken)
Kann ich hier schlafen?
Alex
So sieht es aus.
HESSA
Wo hänge ich mein Kleid hin?
ALEX
Ich weiß nicht. Da drüben?
Er zeigt auf Steffis Garderobenstange.
HESSA
Hilfst du mir, es auszuziehen? Bitte?
ALEX
Okay.
Er macht einige Knöpfe auf.
AlEX (NOCH)
Das reicht.
Hessa
Ich hab’ Durst.
Inn. WOHNUNG ALEX / Küche – nacht
ALEX öffnet den Kühlschrank.
Im Getränkefach befinden sich nur Bierflaschen.
Alex holt eine heraus, macht sie auf und trinkt einen Schluck davon.
HESSA (O.S.)
Kann ich auch eins haben?
Sie schwankt in der Küchentüre.
AlEX
Keine so gute Idee.
Hanne erscheint im Gang.
Hanne
Was ist denn hier los?
Hessa reicht ihr die Hand.
Hessa
Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen.
Hanne nimmt Hessas Hand.
Alex
(zu Hessa)
Darf ich vorstellen, Hanne, meine kleine Schwester.
HESSA
Angenehm.
Hanne
(zu Alex)
Wo ist Steffi?
AUSS. kiosk an der Reichenbachbrücke – nacht
Ein MENSCHENSCHLANGE steht in der Nacht, um sich aus dem Fenster bedienen zu lassen.
Der VERKÄUFER reicht ALEX eine Flasche Cola herüber.
Inn. WohNUNG ALEX / FLUR – nacht
ALEX kommt herein mit der Colaflasche.
ALEX
So, hier hab’ ich was zu trinken.
In der Küchentüre bleibt er stehen.
Am Tisch dort sitzt HANNE.
Alex (NOCH)
Wo ist . . .
HANNE
Du weißt nicht mal, wie sie heißt?
ALEX
Wo ist sie?
Hanne steht auf, geht an ihm vorbei den Gang hinunter. Alex folgt ihr zu dem Eingang von Steffis Zimmer.
Von dort sieht er Hessa friedlich schlafend in Steffis Bett.
AleX (NOCH)
(leise)
Was ist mit dem Kleid?
Inn. Wohnung ALEX / BADEZIMMER – nacht
Hessas Drindl hängt tropfnass über der Badewanne.
Alex (o.S.)
Du hast die Kotze abgeduscht?
HANNE (O.S.)
Ich konnte es schlecht in die Maschine stecken.
Inn. wohnung ALEX / flur – nacht
ALEX und HANNE stehen vor der Badezimmer-Türe.
HANNE
Und du weißt wirklich nicht mal, wie sie heißt.
AleX
Das wird sie mir morgen schon sagen, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hat.
HANNE
Okay, ich muss jetzt los. Mein Vorstellungsgespräch ist in 5 Stunden. Du bringst die Kinder zu ihrem Hort um . . .
ALEX
(das Wort übernehmend)
. . . 8 Uhr. Ich mach’ das nicht zum ersten Mal Hanne. Sieh zu, dass Du diesmal den Job bekommst.
HANNE
Du bist ein Schatz.
Sie gibt ihm einen Kuss. Dann huscht sie in das
GEGENÜBERLIEGENDE ZIMMER
Wir sehen sie, die KINDER im Schlaf küssen. Dann kommt sie – mit ihrem Mantel – wieder heraus und verlässt “auf Zehenspitzen” die Wohnung.
AUSS. nobEL-HOTEL – nacht
Der E-Klasse-Kombi parkt vor dem Eingang.
Inn. nOBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – nacht
PAUL sitzt auf dem Sofa, während NOURA, Smartphone am Ohr, auf und ab geht.
Noura
Why doesn’t she pick up the phone?
PAUL
Maybe it ran out of power.
Noura legt ihr Smartphone weg.
NOURA
Find her!
Sie geht zum Wandsafe und holt einen Koffer heraus, stellt ihn vor Paul auf den Tisch. Sie öffnet den Koffer.
Er ist voller Geldscheine.
NOURA (NOCH)
These are 500.000 Euros. They are yours if you bring her back by tomorrow evening.
Paul schluckt – soviel Geld hat er noch nie auf einem Haufen gesehen.
PAUL
Okay, I find her. Do you have a foto of her?
Noura sucht auf ihrem Smartphone herum, zeigt ihm dann ein züchtiges Portraitfoto Hessas.
Paul (NOCH)
Okay, send it to my smartphone.
Blick auf den Geldkoffer.
PAUL (NOCH)
And I need Spesen.
NOURA
Expenses?
PAUL
Yes.
NOURA
How much?
PAUL
10.000.
AUSS. oktoberfest / TAXISTAND – nacht
Der E-Klasse-Kombi parkt am Straßenrand.
Auf der anderen Seite sehen wir PAUL, eine Reihe auf Kunden wartender Taxis abklappern.
Er zeigt den FAHRERN – auf seinem Smartphone – ein züchtiges Portarait-Foto Hessas.
Der nächste, der seine Scheibe herunterlässt, ist der TAXIFAHRER, der Alex und Hessa nach Hause brachte.
TAXIFAHRER
Ja?
Paul
‘n Abend, Kripo. Haben Sie heute abend vielleicht diese Frau gefahren?
Er hält dem Taxifahrer das Smartphone mit Hessas Foto hin.
Diese betrachtet es, blickt dann zu Paul hinauf.
PAUL (NOCH)
War sie vielleicht mit jemand zusammen?
TaXIFAHRER
Kann ich mal ihren Ausweis sehen?
PAUL
Moment.
Er holt einen 500-Euro-Schein hervor und hält ihn dem Taxifahrer hin.
PAUL (NOCH)
Reicht das zur Identifizierung?
Der Fahrer – nimmt den Geldschein . . .
AbBLENDE:
Inn. woHNUNG ALEX / ZIMMER STEFFI – morgen
KINDERKICHERN ist vom Gang zu hören.
KARSON (5) und seine kleine Schwester METTE (4) erscheinen in Türrahmen.
Plötzlich rennen sie los.
Kinder
Baaaah . . . !
Sie werfen sich über die Person vor ihnen im Bett.
KARSOn
(zu seiner kleine Schwester)
Kitzeln! Kitzeln!
Mette kriecht unter die Bettdecke.
HESSA
Schimpft auf Arabisch
Alle SCHREIEN.
Die Kinder schnellen davon, während HESSA sich im Bett aufrichtet.
Mette versteckt sich hinter ihrem Bruder.
KARSON
(zu Hessa)
Wer bist denn du?
Mette
(leise zu Karson)
Wo ist Steffi?
Hessa blickt sich erschrocken um.
ALEX (O.S.)
Karson! Mette! Frühstück ist fertig!
Die Gerufenen verschwinden aus dem Zimmer.
Hessa entdeckt, dass sie ein weites T-Shirt mit Mikeymaus-Aufdruck als Nachthemd trägt.
Die ihr gegenüberliegende Wand wird fast vollständig von einem Bücherregal eingenommen. Auf einer Ablage glänzen zwei Trompeten.
ALEX (O.S.) (NOCH)
Guten Morgen!
Ihr Kopf fährt herum.
ALEX steht im einem Becher Kaffee in der Türe. Hinter ihm lauern die Kinder hervor.
Hessa
Sagt etwas auf Arabisch
ALEX
Bitte?
HESSA
Wo bin ich? Können Sie mir sagen, wo ich bin?
ALEX
Na, in meiner Wohnung.
HESSA
Bin ich entführt worden?
ALEX
Nein.
HESSA
War ich die ganze Nacht hier?
ALEX
Ja.
HESSA
Und Sie waren – auch hier?
ALEX
Ja.
Sie zupft an ihrem T-Shirt.
HeSSA
Wer hat mir das hier angezogen?
Alex
Das war meine Schwester.
HESSA
Wohnt sie auch hier?
ALEX
Sie hatte gestern abend ihre Kinder abgegeben, damit ich die gleich zum Hort bringe.
HESSA
Ah, so . . .
ALEX
Sie haben gestern ein bisschen viel Bier getrunken.
HESSA
Ich habe Bier getrunken? Aber nur alkoholfrei!
ALEX
Da war Alkohol drin.
Mette
Wo ist Steffi?
ALEX
Steffi schläft heute im Hotel.
Karson
Und wer ist die da?
Hessa
Ich bin . . .
(sucht nach Namen)
. . . Micki.
KARSON
Wie die Maus?
HESSA
Ja.
Alex
Okay, Micki, ich bring’ die beiden eben zum Hort. Inzwischen kannst du dich duschen, wenn du möchtest. Das Badezimmer befindet sich am Ende des Flurs.
Er verschwindet mit den Kindern aus der Türe.
karson (O.S.)
Wann kommt Steffi denn wieder?
ALEX (O.S.)
Übermogen.
Mette (O.S.)
Hat Steffi dich nicht mehr lieb’?
ALEX (o.S.)
Aber sicher hat sie mich noch lieb’.
Hessa entdeckt auf dem Nachttisch . . . !
NAH
Ihr Smartphone – sogar angeschlossen an ein Ladekabel.
Auss. wohnhaus ALEX – morgen
Auf der anderen Straßenseite parkt der E-Klasse-Kombi.
In dem zurückgedrehten Fahrersitz ruht PAUL.
Er richtet sich auf.
Aus der Haustüre kommt ALEX, gefolgt von den KINDERN seiner Schwester.
Sie überqueren die Strasse.
Paul versinkt in seinem Sitz, um nicht gesehen zu werden.
Inn. wOHNUNG ALEX – morgen
ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS SMARTPHONE
SKYPE-RAHMEN
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
. . . und meine Mutter?
HESSA
(Arrabisch – mit Untertiteln)
Mein Gerät war voll mit Anrufen von ihr. Was soll ich ihr denn jetzt erzählen?
AMNA
Verflixt und zugenäht.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wie bitte?
AMNA
Verflixt und zugenäht
(Arabisch – mit Untertiteln)
Das sagen die Deutschen in solchen Fällen.
HESSA
Ja, verflixt und zugenäht!
Sie geht mit dem Smartphone am Ohr herum wie ein eingesperrtes Tier.
AMNA
Was ist das denn für eine Wohnung, in der du bist?
HESSA
Ich weiß nicht. Hier stehen überall Bücher.
Sie nimmt das Handy und schwenkt einige Buchregale ab.
AMNA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Bist du bei einem Schriftgelehrten gelandet?
HESSA
So sieht er eher nicht aus.
. . .
HeSSA (NOCH)
Amna, wenn mein Vater das erfährt, bringt er mich um.
AmNA
Er muss es ja nicht erfahren.
HESSA
(panisch)
Er wird es auf jeden Fall erfahren!
AMNA
Dass du weg warst, wird er erfahren. – Aber nicht, dass du in – in – dieser Wohnung warst.
HESSA
Wie soll das denn gehen?
Auss. Kinder-hort – tag
PAUL beobachtet aus seinem E-Klasse-Kombi, wie die ERZIEHUNGSBERECHTIGTEN ihre KINDER abliefern.
Da kommt ALEX heraus.
Paul langt über den Beifahrersitz und stößt die Türe auf, Alex in den Weg.
Alex
He, was soll das?
Paul beugt sich vor.
Paul
Hallo Kumpel!
Alex schaut in den Wagen.
ALEX
(Paul wiedererkennend)
He! Deine arabische Bekannte ist bei mir.
PAUL
Ach. Wie ist sie da denn hingekommen?
ALEX
Ich hab’ sie gestern auf der Strasse getroffen, völlig durcheinander. Sie wusste nicht, wo sie wohnt. Da hab’ ich sie mitgenommen.
PAUL
Und, geht’s ihr gut?
ALEX
Ich denke schon. Komm’ mit, du kannst du sie gleich abholen.
Paul bedeutet Alex, einzusteigen.
Dieser nimmt Platz auf dem Nebensitz. Paul zieht die Türe zu.
PAUL
Was machst du eigentlich beruflich
ALEX
Ich studiere.
PAUL
Und was?
ALEX
An der Filmhochschule.
PAUL
Da kannst du doch bestimmt ein bisschen Extra-Geld gebrauchen.
ALEX
Was für Extra-Geld.
PAUL
100.000 Euro?
Alex schaut ihn verwirrt an.
PAUL (NOCH)
Hast du überhaupt eine Ahnung, wen du da in deiner Wohnung hast?
AlEX
Micki?
PAUL
(lacht)
Hat sie dir das erzählt: dass sie so heißt?
ALEX
Wie heißt sie denn?
PAUL
Hessa.
ALEX
Hessa?
PAUL
Ihre Königliche Hoheit von . . .
. . . Rest flüstert er Alex ins Ohr.
ALEX
Willst du mich verarschen?
PAUL
Sie ist mehrere Million, wenn nicht Milliarden schwer. Ihr Vater gehört zur Herrscherfamilie. Das gibt einen schönen Finderlohn.
ALEX
Finderlohn?
PAUL
Sie ist verloren gegangen, und wir – bringen sie ihrer Familie zurück.
ALEX
Gut. Vor mir aus.
PAUL
Aber nicht gleich.
Alex
Wieso nicht gleich?
PAUL
Heute abend wäre besser.
ALEX
Wieso heute abend?
PAUL
Wenn ich sie jetzt gleich abliefere, sieht es so aus, als ob ich nicht genügend oder vielleicht gar nicht gesucht habe. Heute abend gibt es die volle Summe.
ALEX
Wie viel?
PAUL
Was geht’s dich an? Du kriegst 100.000.
ALEX
Wofür?
PAUL
Dass du sie den Tag über davon abhältst, zurück ins Hotel zu gehen.
ALEX
Und wie soll ich das schaffen?
PAUL
Lass dir was einfallen.
ALEX
Und wenn sie nicht mitmacht?
PAUL
Haben wir eben Pech gehabt.
ALEX
So ein Schwachsinn.
PAUL
Schwachsinnige 100.000.
ALEX
Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst?
PAUL
Wieso sollte ich so eine Geschichte erfinden?
Pause.
Paul (NOCH)
Hör’ mal, du kannst machen, was du willst. Aber das hier . . .
Er notiert etwas auf den Haftnotizblock am Armaturenbrett, reißt den Zettel ab und gibt ihn Alex
PAUL (NOCH)
… ist meine Telefonnummer. Die rufst du heute abend an, wenn sie noch bei dir ist. Dann komme ich sie abholen.
Alex zögert, den Zettel zu akzeptieren.
PAUL (NOCH)
Oder du gibst ihr den Zettel gleich. Dann ruft sie mich an, ich hole sie ab, und die Sache ist vergessen.
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag
Smartphone auf Theke MELDET sich. NOURA stürzt hinzu.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Hessa, um Himmels Willen, wo bist du?
HeSSA (Telefonstimme)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Bei Amna. Hat sie dir nicht Bescheid gesagt?
NOURA
Bei Amna?
Inn. WoHNUNG ALEX – Tag
HESSA mit dem Smartphone am Ohr.
HeSSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Ja, in der Schönsicht-Klinik. Ich hab’ ihr einen Überraschungsbesuch abgestattet, um ihr beim Packen heute für die Rückreise zu helfen. Heute morgen entdecke ich deine ganzen Anrufe auf meinen Smartphone. Ich dachte, Amna hatte dir Bescheid gesagt.
NOURA (TELEFONSTIMME)
(Arabisch – mit Untertitlen)
Und wie bist du nach Garmisch gekommen?
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Ich hab’ ein Taxi genommen. Paul war auf einmal verschwunden. Da hab’ ich ein Taxi genommen – und dem Fahrer gesagt, er soll mich nach Garmisch bringen.
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wann kommst du zurück? Wenn dein Vater erfährt, dass du auf dem Oktoberfest warst . . .
Inn. WoHNUNG ALEX – Tag
Hessa
(Arabisch – mit Untertiteln)
. . . bringt er mich um, ich weiß, ich weiß. Es muss ihm ja keiner sagen. Ich komme heute Abend zurück. Mit Amna. Ich war die ganze Zeit bei ihr. Oder?
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag
NOURA schweigt.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Heute abend bist du hier. Und wir vergessen die ganze Sache.
HeSSA (TELEFONSTIMME)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Okay, dann bis heute abend!
NOURA lässt ihr Smartphone sinken, schaut es noch etwas an.
Inn. WoHNUNG ALEX – Tag
HESSA wählt eilig eine Telefonnummer.
HESSA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Amna? Es hat geklappt. Sie hat alles geglaubt! Wo treffen wir uns heute abend?
Amna (TELEFONSTIMME)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Warte mal. Der Fahrer kommt nach dem Abendessen. Dann bist du um 10 Uhr an dieser Tankstelle.
HESSA
Welcher Tankstelle.
AMNA (TELEFONSTIMME)
Garmischer Str. 138 – ich schick dir die Koordinaten.
Hessa nimmt ihr Smartphone vom Ohr.
ANZEIGEFLÄCHE
Ein Karten-Ausschnitt erscheint.
Hessa tippt auf ein Fähnchen-Symbol. Es öffnet sich Street View – der Aral-Tankstelle.
AMNA (TELEFONSTIMME) (NOCH)
Findest du das?
HESSA
Aber sicher. – Bis 22.00 Uhr!
AMNA (Telefonstimme)
Hessa.
HESSA
Ja?
AMNA (TELEFONSTIMME)
Und was willst du jetzt den ganzen Tag über machen?
HESSA
Keine Ahnung.
Ihr Gesicht leuchtet auf.
HESSA (NOCH)
Alles, was ich immer schon mal machen wollte!
AUSS. wOHNHAUS ALEX – tAG
Als ALEX sich dem Haus auf der anderen Straßenseite nähert, sieht er, wie HESSA im Dirndl auf die Straße tritt.
Er folgt ihr unauffällig.
AUSS. tatoo-LADEN – tag
Schweinwerfer leuchten von außen in das Schaufenster, Teile eines FILM-TEAMS stehen herum.
SCHAUSPIELER in Anzugjacke fliegt aus der Türe und landet auf einer Matratze.
REGISSEUR (off)
Danke!
HESSA schaut neugierig zu.
Schauspieler rappelt sich wieder auf, während die REGIEASSITENTIN, gefolgt vom CONTINUITY-GIRL mit Klemmbrett aus der Türe kommt.
SCHAUSPIELER
Wie war ich?
Regieassistentin
Großartig, aber wir müssen’s gleich nochmal machen.
SCHAUSPIELER
Wieso das denn?
REGIEASSISTENTIN
Du hast deine Jacke anbehalten.
CONTINUITY-GIRL
Anschlussfehler. My bad.
Ein MÄDCHEN IN DIRNDL mit einer kleinen Tätowierung am Hals drängt auf die Straße, zieht sich eine Windjacke über.
REGIEASSISTENTIN
He, he! Wir sind noch nicht fertig.
MÄDCHEN IN DiRNDL
Das hör’ ich seit zwei Stunden.
REGIEASSISTENTIN
Du kannst doch jetzt nicht gehen!
Mädchen IN DRINDL
Ich muss, sonst ist mein Flieger weg.
Sie sputet sich.
REGIEASSISTENTIN
(hinter)
He!
CONTINUITY-GIRL
So was!
Die Regieassistentin schaut sich nervös um, erblickt Hessa in ihrem Dirndl. Geht zu ihr herüber.
REGIEASSISTENTIN
Tag, wir drehen hier gerade einen Film und bräuchten noch – könnten Sie, könntest Du für einen Moment mitspielen? Es gibt auch eine Gage: 100 – 200 Euro. Müsste aber gleich sein.
Hessa schaut entgeistert.
CONTINUITY-GIRL
Do you speak German?
REGIEASSISTENTIN
(zu ihr herumfahrend)
Was soll das denn jetzt?
CONTINUITY-GIRL
Sie wirkt auf mich wie eine Ausländerin.
HESSA
Ich versteh’ schon. Sie wollen, dass ich bei Ihrem Film mitspiele.
Die Regieassistentin und das Continuity-Girl nicken.
REGIEASSISTENTIN
Und?
Inn. TaTOO-LADEN – TAG
HESSA sitzt in einem Stuhl vor dem Schminkspiegel. FILMTEAM im Raum verstreut. Bei ihr steht ein BULLIGER TÄTOWIERTER KERL mit einer Tätowiermaschine.
Der REGISSEUR, eskortiert von REGIEASSISTENTIN und CONTINUITY, beugt sich zu Hessa herunter.
Regisseur
It’s very simple, he will tatoo you and then he . . .
Er zeigt auf den in Bereitschaft sitzenden Schauspieler.
REGISSEUR (NOCH)
. . . will interfere because he doesen’t like the design.
Hessa schaut an dem bulligen Kerl herauf.
REGIEASSISTENTIN
Du kannst ruhig Deutsch mit ihr reden. Das versteht sie.
Hessa
Ich lass mich aber nicht tätowieren.
Will wieder aufstehen.
Regisseur
Oh, das ist keine echte Tätowiermaschine, schau mal.
Er nimmt dem bulligen Kerl das Gerät aus der Hand.
RegieASSISTENTIN
Sie macht nur Geräusche wie eine echte.
Der Regisseur drückt auf den Griff. Ein SUMMEN erklingt.
REGISSEUR
Aber hier . . .
Seine Finger berühren die Spitze.
NAH
Diese ist weich und biegsam wie ein kleiner Pinsel.
Er hinterlässt, über den Handrücken des Regisseurs bewegt, einen dünnen schwarzen Strich.
REGISSEUR (NOCH)
Man kann es wieder abwaschen.
Er winkt die MASKENBILDNERIN heran, die mit einem feuchten Schwamm kommt.
Damit die dünnen Striche auf dem Handrücken des Regisseurs beseitigt.
REGISSEUR (NOCH)
(zu Hessa)
Okay?
AUSS. tATOO-LADEN – tag
ALEX nähert sich und späht durch die Scheibe.
Drinnen erblickt er: HESSA, eine Tätowierungsmaschine in der Hand eines BULLIGEN KERLS am Hals, sowie das FILMTEAM bei der Aufnahme.
Inn. TATOO-LADEN – tag
Das SUMMEN der Tätowiermaschine.
NAH
Die weiche Spitze vollendet auf Hessas Hals das niedliche Bildchen einer Brez’n.
REGISSEUR
Danke!
TEAM atmet aus. Die MASKENBILNERIN kommt schnell und betupft das “Tatoo” auf Hessas Hals.
Maskenbildnerin
(flüstert Hessa ins Ohr)
So sieht es gleich echter aus. Und hält etwas länger.
Sie verreibt den Puder über dem Tatoo, das dadurch subkutaner wirkt.
REGISSEUR
So, wir machen weiter!
AUSS. tATOO-LADEN – tag
ALEX geht zum Eingang des Ladens, aber der dort lauernde AUFNAHMELEITER gestikuliert ihm, Entfernung zu halten.
SCHAUSPIELER (OFF)
Was soll das denn sein??
INN. tATOO-LADEN – tAG
Das TEAM hinter der laufenden Kamera beobachtet den BULLIGEN KERL bei HESSA, konfrontiert von dem SCHAUSPIELER.
BULLIGER KERL
Ich hab’s genau so gemacht, wie Sie gezeichnet haben.
Er sucht einen Zettel vom Schminktisch und hält ihn dem Schauspieler hin.
Dieser schaut auf den Zettel.
NAH
Rechnung des Wirtshaus “Zur Brez’n” – neben dem Namen als Logo die niedliche Brez’n, die sich auf Hessas Hals befindet.
Der Schauspieler dreht den Zettel rum. Auf der Rückseite befindet sich. . .
NAH
. . . die gekritzelte Herz um die Buchstaben “SEXY”
SCHAUSPIELER
Das solltest du ihr draufmanchen. Du Penner.
BULLIGER KERL
Penner?
SCHAUSPIELER
Ja, Penner!
Er zieht seine Jacke aus.
AUSS. tATOO-LADEN – tag
Der SCHAUSPIELER fliegt auf die den Bürgersteig bedeckende Matratze.
ALEX tut einen Schritt zurück.
REGISSEUR (off)
Danke.
REGIEASSISTENTIN (OFF)
Okay, Abbau! Wir müssen das Motiv in einer Stunde geräumt haben.
INN. tATOO-LADEN – tAG
Das TEAM räumt zusammen.
MASKENBILDNERIN kommt mit einem Schwamm zu HESSA, die ihr “Tatoo” im Spiegel bewundert.
Hessa weicht zurück.
MASKENBILDNERIN
Ich will’s nur wieder weg machen.
HESSA
Ich finde es schön.
MASKENBILDNERIN
Okay.
Sie lässt den Schwamm wieder sinken. Merkt, wie Hessa von den Piercing-Stücken fasziniert scheint, die auf dem Schminktisch liegen.
MASKENBILDNERIN (NOCH)
Willst du eins anprobieren? – Keine Angst, die sind nicht echt.
Sie nimmt einen der offenen Ringe und stülpt ihn über ihre Lippe.
Die REGIEASSISTENTIN nähert sich im 200 Euro Hessa und der Maskenbildnerin, welche ihr den Rücken kehren.
REGIEASSISTENTIN
Micki, deine Gage.
Hessa dreht sich um – und trägt einen Lippenring.
REGIEASSISTENTIN (NOCH)
Nicht schlecht.
Hessa lächelt.
Sie sieht entzückend aus.
AUSS. tATOO-LADEN – tag
HESSA tritt auf die Strasse und zählt nochmal ihre Gage nach, bevor sie diese in der Schürzentasche ihres Dirndls verstaut. Die “Tätowierung” befindet sich noch an ihrem Hals, der entzückende Ring über der Unterlippe.
An ihr drängen TEAM-MITGLIEDER vorbei, die den Drehort abräumen.
REGIEASSISTENTIN (OFF)
Micki!
Hessa dreht sich um, die REGIEASSISTENTIN erscheint in der Türe.
REGIEASSISTENTIN (NOCH)
Heute abend ist Bergfest. Wenn du Lust hast, kannst du kommen.
HESSA
In die Berge?
REGIEASSISTENTIN
Es heißt Bergfest, weil wir heute die Hälfte des Films fertig gedreht haben. Bis jetzt sind wir den Berg raufgeklettert, ab morgen geht es wieder runter. Wenn wir unten angekommen sind, ist der Dreh fertig. Deswegen feiert man in der Mitte von Drehbarbeiten ein Bergfest. Unseres ist heute abend, an der Eisbachwelle. Komm’ vorbei, wenn du Zeit hast. Du bist herzlich eingeladen.
Hessa zieht ihr Smartphone hervor.
HESSA
Eisbachwelle?
REGIEASSISTENTIN
Ja, warte mal.
Nimmt Hessas Smartphone. Tippt darauf herum, händigt es ihr wieder aus.
Hessa inspiziert die Anzeigefläche.
NAH
Maps-Ausschnitt “Eisbachwelle”
Das CONTINUITY-GIRL winkt aus einem Auto.
REGIEASSISTENTIN (NOCH)
Alles klar?
Hessa nickt.
REGIEASSISTENTIN (NOCH)
19 Uhr!
HUPEN.
REGIEASSISTENTIN (NOCH)
Sorry, ich muss.
Sie winkt Hessa und steigt in den Wagen, der mit ihr weg fährt.
AUSS. flohmarkt – tag
HESSA streift zwischen den Ständen umher, begutachtet die verschiedensten “Sehenswürdigkeiten”.
ALEX folgt ihr in sicherer Entfernung, bemüht, unentdeckt zu bleiben.
AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG
HESSA sieht durch die Scheibe die WARTENDEN FAHRGÄSTE noch einen Café im Stehen trinken.
Sie betritt das Café.
Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG
HESSA bekommt von der BEDIENUNG einen Becher Kaffee über die Theke gereicht.
BEDIENUNG
Das macht 3,50.
Hessa pult ihre Statisten-Gage aus der Schürzentasche ihres Dirndls, hält 100 Euro hin.
BEDIENUNG (NOCH)
Kleiner haben Sie es nicht?
HESSA
Leider, nein.
Die Bedienung nimmt das Geld.
AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG
HESSA, zu sehen durch die Fensterfront, mischt sich zwischen die WARTENDEN FAHRGÄSTE am Thekentisch und nippt an ihrem Kaffee.
Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG
Von ihrem Standpunkt kann HESSA das Treiben auf der Strasse sehen und verliert sich in dem normalen, für sie aber neuen Anblick.
ALEX kommt “zufällig” vorbei – erblickt sie . . .
AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG
HESSA winkt – durch die Fensterfront – zurück.
Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG
ALEX kommt von der Theke mit einem Becher Kaffee und gesellt sich zu HESSA.
Alex
Das ist ja eine nette Überraschung.
Hessa
Hallo. Ich – warte hier auf die Straßenbahn.
AlEX
Du warst einfach abgehauen.
HESSA
Ich wusste nicht, wann du noch mal zurückkommst.
ALEX
Und inzwischen hast du dir ein Tatoo machen lassen?
Hessa fasst instinktiv nach der Stelle an ihrem Hals
ALEX (NOCH)
Sieht toll aus. Aber wo hast du es dir so schnell stechen lassen.
HESSA
Ich hab’ bei einem Film mitgemacht.
AlEX
Echt?
HESSA
Und ich bin heute abend zum Bergfest eingeladen.
ALEX
Erzähl mal . . .
AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG
Durch die Fensterfront sehen wir HESSA in lebhaftem Erzählgestus – ALEX hört ihr bezaubert zu.
Eine Straßenbahn fährt durchs Bild.
Die beiden treten aus dem Laden.
AlEX
(sich umsehend)
Tja . . .
HESSA
Ich muss zur Arbeit.
ALEX
Verstehe.
HESSA
Ich bin da gestern weggelaufen.
ALEX
Ärger mit dem Chef?
HESSA
Nein, es war nichts.
ALEX
Man rennt doch nicht wegen nichts von der Arbeit fort.
HESSA
Ich wollte nur mal aufs Oktoberfest, ein Bier trinken. Alkoholfrei. Und dann ist alles durcheinander geraten. Und auf einmal . . .
ALEX
Kommst du zu spät zur Arbeit.
HESSA
Ja.
Pause.
ALEX
Nimm’ dir den Tag doch einfach frei. Mach’ noch was anderes.
HESSA
Was anderes machen . . .
ALEX
Was ganz was anderes.
HESSA
Ich würde gern’ mal einen Tag lang machen, nur worauf ich Lust habe.
ALEX
Und das wäre?
HESSA
Das kannst du dir nicht vorstellen.
ALEX
Eine Tatoo machen lassen – im Straßencafé rumstehen und die Leute beim Vorübergehen anschauen?
HESSA
(nickt)
Mhm.
ALEX
Wozu hättest du denn sonst noch Lust?
HESSA
Ich würde gerne mal mit einem Auto fahren.
ALEX
Hast du denn einen Führerschein?
HESSA
(lacht)
Nein. – Ich würde auch gerne nur mal mit der U-Bahn hier fahren – bis zur Endstation und zurück.
ALEX
Im Englischen Garten in der Sonne liegen.
HESSA
Ja.
ALEX
Können wir alles heute machen. Sogar Autofahren.
HESSA
Musst du nicht arbeiten?
ALEX
Ich nehme mir frei.
HESSA
Warum willst du so alberne Sachen machen?
Alex zeigt die Straße hinauf.
ALEX
Dort ist ein U-Bahnhof. Schon geht’s los.
Ton EINFAHRENDER ZUG.
STIMME (OFF)
U6 nach Garching Hochbrück
Auss. u-Bahnhof – tag
MENSCHEN gehen die Treppe hinunter.
STIMME (OFF)
Bitte zurückbleiben.
WARN-PIEPSEN – U-BAHN-TÜRENSCHLIESSEN . . .
InN. U-BAHNHOF – TAG
ANZEIGEN-TAFEL
Springt um – dabei zu hören: AUSFAHRENDER ZUG
InN. U-Bahn-ZUG – TAG
ALEX sitzt neben HESSA, die sich alles genau anschaut.
TYPISCHE FAHRGÄSTE, erstaunlich international in der Zusammensetzung, ein TYP MIT HOCHGEKLAPPTEM MICROSCOOTER, eine FAMILIE MIT WANDERRUCKSÄCKEN, ein LESENDER PROFESSOR IN POLO-SHIRT usf.- die meisten Sitzenden aber sind vertieft in ihre Smartphones.
Hessa betrachtet eine Anzeigentäfelchen über dem Fenster mit dem Foto einer grinsenden jungen Frau.
HESSA
(leise die Zeile darunter buchstabierend)
Fachkraft im Fahrbetrieb.
Alex hat sie beobachtet.
AlEX
Willst du U-Bahnfahrerin werden?
HESSA
U-Bahnfahrerin?
FRAUENSTIMME (off)
Nächster Halt, Odeonsplatz. Umsteigen zur U4 und U5.
AlEX
Da kannst du dich ausbilden lassen.
HESSA
Steht aber “Fachkraft im Fahrbetrieb”, nicht “U-Bahn-Fahrerin”.
ALEX
Es gibt ja auch noch Busse, Straßenbahnen.
HESSA
Die kann ich dann alle fahren?
Aus dem Pulk der EINSTEIGENDEN FAHRGÄSTE drängt sich eine FRAU MIT DICKER EINKAUFTÜTE auf den Sitz ihnen gegenüber.
Frau mit einkaufstüte
Entschuldigung.
Hessa zieht die Füsse ein. Die Frau nickt kurz, lächelnd, und holt ihr Smartphone hervor.
Alex schaut – von der Stellen-Anzeige wieder zu Hessa.
HESSA
Ich hab’ aber schon einem Job.
Alex
Was denn für einen?
HESSA
Ich bin Zimmermädchen.
ALEX
Zimmermädchen?
HESSA
Ja, in einem großen Hotel.
ALEX
Da machst du bestimmt gute Arbeit.
Bei den Türen zieht eine JUNGE FRAU zwei WINDHUNDE, die einen Kinderwagen beschnuppern, an der Leine zurück.
HESSA
Mein Vater hat solche Hunde.
AlEX
Und was macht er so?
HESSA
Er – kauft Sachen . . .
ALEX
Harte Arbeit?
HESSA
Er macht sich nicht soviel daraus.
ALEX
Warum lässt er’s dann nicht sein?
HESSA
Er muss eine große Familie ernähren. – Aber du, bist du wirklich Student, an der Schule für . . .
ALEX
An der Filmhochschule. University of Television and Film. Willst du die mal sehen?
AUSS. filmhochschule – TAG
ALEX steht mit HESSA auf dem Bernd-Eichinger-Platz. Sie blickt das große Gebäude hinauf.
Neben der Türe staffeln sich die Fahrräder.
HESSA
So viele Filmstudenten . . .
AlEX
Die kommen aus dem ganz Deutschland, ein paar auch aus dem Ausland.
Zwei ÄLTERE ASIATISCHE DAMEN nähern sich.
Ältere Asiatin
(fragt Hessa)
Excuse me, is this the Egyptian Museum?
ALEX
(leise zu Hessa)
Das ägyptische Museum befindet sich unterhalb der Filmhochschule, der Eingang ist da hinten.
Er zeigt zur Portalwand hinter der Monumentalskulptur des gebückten Menschen.
Hessa
(zu den Asiatinnen)
You have to go over there, the entrance is under the big wall.
Ältere asiATIN
Ah, yes. Thank you!
Machen sich auf den Weg. Hessas Blick, der ihnen folgt, bleibt hängen an der Monumentalskulptur.
Sie schaut Alex fragend an.
MONUMENTALSKULPTUR
Der Auminium-Mann ohne Arme steht vorüber gebeugt, ein roter Stab entspringt seinem Kopf und geht direkt in die Erde.
HESSA
Was ist das?
AleX
Ein Kunstwerk im öffentlichen Raum.
HESSA
Warum hat er keine Arme?
ALEX
Keine Ahnung. Auf die Arme kommt’s vielleicht nicht an.
HESSA
Und was kommt da aus seinem Kopf?
ALEX
Das ist ein roter Stab. Der endet unten – im ägyptischen Museum.
HESSA
Hier unter uns ist ein Museum?
ALEX
Ja, das ägyptische Museum. Alles unter der Erde. Wie die Gräber in Ägypten.
HESSA
Und wieso geht der rote Stab da rein?
ALEX
Vielleicht guckt der Mann in die Vergangenheit, deswegen muss er sich so komisch vorbeugen.
Er macht die Bewegung nach, und Hessa – macht sie ihm nach.
Beide stehen sie wie kleine Parodien neben dem gebückten Menschen aus Aluminium.
Hessa blickt zu Alex herüber, sie müssen lachen.
Dann sieht sie etwas anderes – schräg oben.
HESSA
Auf dem Dach sind Leute!
Alex folgt ihrem Blick.
ALEX
Das ist die Beletage der Fakultät für Architektur an der Technischen Universität.
HESSA
Was ist eine Beletage?
ALEX
Eine Sonnenterasse. Von da oben kann man die Berge sehen. Gehen wir rauf?
Hessa nickt.
Sie überqueren die Gabelsbergerstraße.
Gehen ein Stück in die Arcisstraße.
ROSSElenker
Hessa bleibt vor der Pferdestatur stehen.
HESSA
Wer hat die Löcher da reingemacht?
ALEX
Das sind Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg. “Wunden der Erinnerung” . . .
NAH
In die Oberfläche der Statue gerissene Löcher.
HESSA
In München war Krieg?
ALEX
Der Zweite Weltkrieg. Ist jetzt aber schon über 70 Jahre her. – Komm!
Sie überqueren die Arcis-Straße und gehen die Eingangstreppe der Technischen Universität herauf.
Inn. CAFÉ im VORHOELZER FORUM – TAG
Die Fahrsstuhltüre öffnet sich, den Blick freigebend auf HESSA und ALEX, die in den Raum mit der Theke hinaustreten.
ALEX
Was trinkst du? Kaffee? Tee?
Hessa
Cola.
ALEX
Geh schon mal raus, da kannst du die Berge sehen.
AUSS. CAFÉ im VORHOELZER FORUM – TAG
CAFÉ-BESUCHER stehen mit ihren Drinks an der Veranda-Mauer über blicken über die Stadt vor dem Hintergrund der Berge.
HESSA dreht sich von der Verandamauer zu ALEX, der mit den Getränken kommt.
HESSA
Es ist wunderschön!
Alex reicht ihr ihre Cola und stellt sich neben sie.
AlEX
Wir kommen hier manchmal hoch, wenn es etwas zu feiern gibt.
HESSA
Was feiert ihr denn?
ALEX
Eine Filmpremiere. Manche feiern hier auch ihren Geburtstag.
HESSA
Man kann über die ganz Stadt sehen.
ALEX
Es darf kein Gebäude höher sein in der Mitte von München als der Dom.
. . .
HESSA
Die Berge sind ganz nah.
ALEX
Bei schönem Wetter ist man mit der Bob gleich da und kann drin rumklettern.
HESSA
Was ist Bob?
ALEX
Die Bayerische Oberlandbahn. Sie fährt von München aus in die Berge. Man klettert rauf – und runter – und abends ist man schon wieder zu Hause. Mit der Bob.
HESSA
Ich mag die Berge.
(. . .)
Alex?
ALEX
Ja?
HESSA
Du hast vorhin gesagt, wir können alles machen – sogar Auto fahren.
ALEX
Hättest du Lust, mal Auto zu fahren?
HESSA
Ja!
ALEX
Kein Problem.
AUSS. KARTBAHN – tag
Go-Karts knattern durch die Kurven.
Die Köpfe der Fahrer stecken in Helmen, jedoch erkennt man HESSA an ihrem Dirndl, auch ALEX an seiner Kleidung.
SUBJEKTIVE KAMERA
Hessas Arme an dem Steuer. Sie überholt Alex.
DYNAMISCHE AUFNAHMEN vom Pistenrand und aus Hessas Kart-Kanzel, untermalt von ihrem JUCHEN.
Hessas und Alex’ Kart laufen aus im Park-Bereich.
Sie klettern heraus. Hessa nimmt vor Alex ihren Helm ab, schüttelt das Haar.
Alex
Und willst mir sagen, du bist noch nie mit sowas gefahren?
HESSA
Noch nie!
(lacht)
Kann ich noch?
Alex zuckt die Schultern.
Hessa stülpt den Helm wieder über und klettert zurück hinter das Steuer.
Alex blickt der Davonknatternden nach.
INN. nOBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tAG
Türe vom Gang her geht auf und ABDULLAH kommt herein.
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Hallo? Jemand zu Hause?
Er winkt jemanden aus dem Gang heran.
Ein magerer LIEFERANT bugsiert ein brettartiges Paket herein.
ABDULLAH (NOCH)
Over there!
Er zeigt auf die Stelle, wo es abgestellt werden soll.
ABDULLAH (NOCH)
Okay.
Er pult ein paar Euroscheine aus der Tasche.
ABDULLAH (NOCH)
Here!
Der Lieferant nickt dankend und zieht sich zurück.
Abdullah nähert sich dem geheimnisvollen Paket, packt es und hält es schräg vor sich in sportlicher Pose.
Erschickt, als eine Türe im Hintergrund aufgeht und NOURA hereinkommt.
Dies ist ebenfalls überrascht.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Abdullah!
Schaut sich um.
NOURA (NOCH)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Seid ihr etwa schon zurück?
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Vater kommt heute abend.
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Warum bist du jetzt schon hier?
Abdullah stellt das längliche Paket zurück an die Wand.
Abdullah
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wo ist Hessa?
NOURA
(Arabisch – mit Untertiteln)
Bei Amna.
ABDULLAH
(mißtrausch)
In der Klinik?
NOURA
Ja.
ABDULLAH
Was will sie denn da?
NOURA
Sie hilft ihrer Kusine beim Packen. Heute abend kommen sie zurück.
Inn. u-BAHNhof Münchener Freiheit / schnellimbiss – tag
ALEX und HESSA kommen im Gespräch von der Theke, er trägt zwei große Pizzastücke, sie hohe Gläser mit Fruchtsaft.
AlEX
Wie? Hässlich ist sie auch noch?
HESSA
Der Prophet . . .
Sie holt einen Beutel Kartoffelchips aus einer Edeka-Tüte unter dem Tisch, reißt sie auf.
HESSA (NOCH)
. . . hat für die Hässlichen ein gutes Wort eingelegt bei Gott.
Sie kostet von den Chips, verzieht den Mund. Schaut sich um – geht vor zur Theke.
Alex drückt den Boden der Tüte hoch, so dass er sie als “Schale” aufstellen kann, aus der die Chips appetitlich hervorschauen.
Er sieht Hessa mit dem MANN HINTER DER THEKE verhandeln.
Auf einem Großbildschirm an der Wand laufen TANZNACHAHMUNGEN berühmter Kurzvideos.
Hessa kommt mit Pfeffer, einer halben Zitrone und eine Flasche Ketchup zurück an den Tisch.
alex
Soll ich dir helfen?
HESSA
Warte.
Sie drückt Saft aus der Zitrone über die Chips, pfeffert nach. Schiebt Alex die Chips hin, der kostet.
ALEX
Lecker . . .
Hessa nimmt sich nun auch.
Hessa
(Gespräch fortsetzend)
Ja, und jetzt hat sie ihm eine Frau gesucht.
ALEX
Moment mal, deine ältere Kusine hat für ihren Mann eine zweite Frau gesucht?
HESSA
So hat sie mehr Zeit für den Haushalt und ihre Pflege.
ALEX
Was denn für Pflege?
HESSA
Die Haare einfetten, die Hände mit Henna bemalen, Körperpflege. Und dann hat sie noch zwei Kinder. Die andere Frau kann sich inzwischen um den Mann kümmern.
Hesse macht aus der Flasche Ketchup auf ihre Pizza.
HESSA (NOCH)
Das ist praktischer.
Sie beißt von der Pizza ab. Hält Alex die Ketchup-Flasche hin.
Dieser nimmt sie – tupft etwas von dem Inhalt auf seine Pizza. Beißt vorsichtig ab.
Hessa verzieht den Mund, schaut weg.
Alex denkt erst, er sei gemeint. Entdeckt dann aber in seinem Rücken den wahren Grund ihrer Irritation, ein sich KÜSSENDES PÄRCHEN.
Alex macht, um sie abzulenken, einen Kinngeste in Richtung des Flachbildschirms.
AlEX
Guck mal: Cheap Thrills.
Sie schauen sich die Tanznachahmung an.
Hessa macht einige der Bewegungen nach.
Alex (NOCH)
Du kannst tanzen?
HESSA
Nur zu Hause.
THEMATISCHE MUSIK – welche die folgenden Szenen umklammert.
AUSS. MÜNCHENER FREIHEIT / MVV-RADSTATION – TAG
ALEX löst je ein Rad aus für sich und HESSA.
AUSS. englischer GARTEN – tag
ALEX und HESSA schweben auf ihren Rädern durch den Englischen Garten.
Im Hintergrund eine Gruppe NACKTER.
Hessa schaut weg – fährt beinahe in ein anderes FAHRRAD.
AUSS. chinesischer Turm – tag
ALEX und HESSA schieben ihre Räder durch das Gewimmel des Biergartens.
Im Turm spielt BLASKAPELLE (ihre Töne überlagert von der THEMATISCHEN MUSIK)
AUSS. friedensengel – TAG
Der Friedensengel ragt in den Himmel.
Unter der Säule stehen die zwei Fahrräder in trauter Eintracht.
ALEX und HESSA entdecken wir auf der anderen Seite der Säule. Er macht Smartphone-Photos von ihr gegen die Stadtkulisse unterhalb von ihnen.
Am Fuß der Treppe erblickt Hessa einen langestreckten, festlich gedeckten Campingtisch, an dem JUNGE LEUTE sitzen und essen.
ALEX geht mit HESSA hinunter. Er wird erkannt von dem bärtigen “GASTGEBER”, der Alex umarmt, auf die Schultern klopft.
Die Szene bleibt in MUSIK getaucht (wir hören die gewechselten Worte nicht). Den Gesten nach wird Hessa vorgestellt und von der Tischgemeinschaft begrüßt.
Alex und Hessa haben aber keine Zeit, sich zu setzen.
Selfie mit den beiden und dem bärtigen “Gastgeber”.
Winken – auf Wiedersehen . . .
AUSS. zebrastreifen – tag
HESSA zögert mit dem Fahrrad am Bordstein, indem sich zwei Autos nähern.
ALEX, der die andere Seite erreicht, gestikuliert ihr, zu ihm herüber zu kommen.
Hessa beäugt die Autos, welche langsamer werden, anhalten. Was sie zu verblüffen scheint.
Alex winkt: Komm!
Mit dem Mut der Verzweiflung “stürzt” sie sich auf die Straße und schiebt ihr Rad auf die andere Seite.
AUSS. Brücke an der lagerhausstrasse – tAG
Auf der Brücke über die Strasse, unter der ALEX voranfährt, steht – ein Ausflug-Dampfer!
HESSA steigt kurz ab, macht ein Foto, bevor sie Alex weiter folgt.
AUSS. Graffiti-TUNNEL – tag
HESSA radelt hinter ALEX durch eine imposante Graffiti-Landschaft.
Auss. LAND IN SONNE – tag
HESSA und ALEX radeln durch Dauer-Kleingarten-Anlage.
Alex zeigt Hessa ein Armee von 50 Gartenzwergen in einem der Gärten.
AUSS. marionetten-theater – tag
“Tag der offenen Tür” steht auf einem Schild über dem Eingang.
Davor stehen – wie ein Pärchen – die geparkten Räder.
Inn. Marionetten-theater – tag
ALEX und HESSA unter den JUNGEN und ALTEN ZUSCHAUERN des Tages der offenen Türe.
Die MARIONETTEN, gehandhabt von einem MÄDCHEN IM GRUFTI LOOK, einem MAGEREN JUNGEN MANN und einem freundlichen GROSSVATER, führen drollige Kunststücke auf.
Ein schüchterner Marionetten-PIERROT übergibt Hessa eine Mohnblume.
Auss. olypia-ALM – tag
HESSA und ALEX strampeln den Hang-Weg zum kleinen Biergarten auf dem Olympia-Berg hinauf – im Hintergrund Stadion und Halle.
Hessa muss sich schwer in die Pedale legen – Alex feuert sie an!
Sie wird immer langsamer, schafft es aber im letzten Moment auf die ebene Fläche vor den Mini-Biergarten, wo die GÄSTE klatschen.
Alex und Hessa blicken über das Olympia-Gelände.
Die THEMATISCHE MUSIK endet.
AUSS. odeonsplatz – naCHMITTAG
ALEX stellt seines und HESSAS MVV-Rad in der Station ab.
Hessa schaut sich um.
HESSA
Wo sind denn die Löwen?
Alex zeigt zum westlichen Eingang der Residenz.
AlEX
Da drüben.
Hessa kneift die Augen zusammen.
HESSA
Ich seh’ keine Löwen.
ALEX
Ihre Köpfe sind unten an den Schildern. – Komm.
AUSS. westlicher eingang zur residenz – naCHMITTAG
Die unteren Enden der mächtigen Schilder rechts und links des Eingangs werden kurz von PASSANTEN angefasst, die vorübergehen.
Zwei kleine LÖWENKÖPFE befinden sich dort mit blankgeputzten Schnauzen
HESSA folgt ALEX, der sich nähert.
AlEX
Du musst dran reiben, dann hast du Glück.
Eine ALTE FRAU wackelt heran, reibt im Vorübergehen die Schnauzen – ihr folgen ZWEI KINDER. Das größere hebt das kleinere Hoch, damit es ebenfalls reiben kann.
Hessa schaut Alex an.
HESSA
Jetzt ich?
ALEX
Du musst dir was wünschen.
Hessa denkt kurz nach. Dann langt sich vor.
Der Löwenkopf BRUMMT, als sie ihn berührt.
Ihre Hand zuckt zurück. Sie schaut zu Alex.
Hessa
(leise)
Er brüllt.
ALEX
(leise)
Was hast du dir denn gewünscht?
Hessa schlägt die Augen nieder.
Alex (NOCH)
Versuchen’s nochmal.
Hessa streckt ihre Hand vor, zögert aber. Alex nimmt sie schließlich, führt sie an die Schnauze – die wieder BRUMMT.
Hessa will zurückziehen, aber Alex hält fest. Das BRUMMEN verstärkt sich – Alex ist sein Urheber.
HESSA
(es bemerkend)
Schimpft auf Arabisch…
Sie macht sie frei und haut ihn an der Schulter.
ALEX
Ich versteh kein Wort!
HESSA
Gott soll dich und deine Mutter strafen, mich so zu erschrecken.
Sie lachen.
HESSA (NOCH)
Kann man sich auch noch was wünschen?
Sie schaut Alex länger in die Augen. Dann berührt und streichelt sie erneut die blanke Löwenschnauze.
AUSS. kaufinger-strasse – abend
HESSA und ALEX rücken an zwischen den PASSANTEN. Sie zeigen sich dabei ihre Smartphones.
HESSA
. . . kleine hässliche Hunde, aber die Leute haben sie immer dabei.
ALEX
Zeig’ mal.
Sie hält ihm ihr Smartphone hin.
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Bilder VERSCHIEDENER HUNDEBESEITZER im Englischen Garten – dann: das SCHIFFES AUF DER EISENBAHNBRÜCKE – GRAFFITIS . . .
Alex gibt das Smartphone zurück.
HESSA
Was ist das für ein Schiff, mitten in der Stadt?
ALEX
Das ist kommt vom Ammersee. Weiter unten bei den Bergen.
HESSA
Und was macht es hier?
ALEX
Das hat jemand hereingeholt, um ein Restaurant darin aufzumachen – mit Musik und Tanz.
Hessa schüttelt den Kopf.
HESSA
Ein Schiff in die Stadt holen?
ALEX
Ein bayerischer Dampfer auf einer Eisenbahnbrücke, das gibt’s nur in München. – Schau mal.
Er hält ihr sein Smartphone hin.
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Selfie des bärtigen “GASTGEBERS” mit Hessa und Alex unter dem Friendensengel.
HESSA
War das dein Freund?
ALEX
Dieter? – Wir kennen uns noch aus der Schule. Er ist Sozialpädagoge.
HESSA
Sozialpädagoge?
ALEX
Er hilft Leuten, die guten Rat brauchen, im Auftrag der Stadt.
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Die FRÖHLICHE ESSENSGESELLSCHAFT am Campingtisch unter dem Friedensengel.
HESSA (off)
Sind das solche Leute?
ALEX
Nein, das sind Freunde und Kollegen. Die haben sich zusammengeschlossen, um den öffentlichen Raum zurückzuerobern.
HESSA
Das verstehe ich nicht. Was wollen sie erobern?
ALEX
Sie verabreden sich – irgendwo in der Stadt, wo’s möglichst schön ist. Jeder bringt Speisen und Getränke mit. Dann bauen sie schnell einen Tisch auf und setzen sich, um gemeinsam zu essen. Eine oder zwei Stunde später sind sie wieder weg.
STRASSENMUSIKER
Ein MUSIKER und seine PARTNERIN liefern ein flottes Spiel, das einen Kreis ZUSCHAUER angezogen hat.
Musiker
(singt)
I’m free to be the greatest, I’m alive
I’m free to be the greatest here tonight, the greatest
The greatest, the greatest alive …
Eine spontane FRAU tanzt – animiert andere zu tanzen.
Sie zieht Alex in ihren Kreis. Dieser wirkt erst verlegen, man erwartet eine Blamage, dann aber tanzt er überraschend gut, sehr originell.
Hessa, der es in den Füßen zuckt, kommt hinzu.
Mit Alex tanzt sie ein mitreißendes, gut aufeinander eingespieltes Duett, das noch den Musiker anspornt zu mehr Emphase.
Immer mehr Zuschauer kommen hinzu.
TOSENDER APPLAUS
Alex und Hessa nicken dankend und entfernen sich von der Gruppe.
AuSS. marienplatz – ABEND
HESSA und ALEX kommen aus Richtung Kaufingerstrasse gerannt.
Alex’ Smartphone MELDET SICH. Er nimmt es ans Ohr.
ALEX
Ja?
Inn. biERZELT – ABEND
STEFFI steht auf der Blaskapellen-Tribüne, ihr Smartphone am Ohr.
StEFFI
(brüllt ins Telefon)
Alex?
AuSS. marienplatz – ABEND
AlEX
(ins Telefon)
Ja – ja . . . Kein Problem.
Rasch zu Hessa, während er das Mikrophon zuhält:
AlEX (NOCH)
(leise)
Das ist meine Freundin.
ALEX dreht sich ab.
HESSA betrachtet ihn aus der Ferne.
Alex ist fertig mit dem Gespräch.
AlEX (NOCH)
Steffi ist wieder auf dem Oktoberfest.
HESSA
Musst du jetzt zu ihr?
ALEX
Nein, sie hat nur angerufen, dass sie heute nochmal nicht nach Hause kommt.
HESSA
Wohnt ihr zusammen?
ALEX
Du hast doch in ihrem Bett geschlafen.
Hessa wendet sich ab.
AlEX (NOCH)
Was ist los?
Hessas Smartphone meldet sich. Sie kramt er hervor.
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Erinnerung “Bergfest / Eisbachwelle”
HESSA
Weißt du, wo das ist?
Sie hält Alex die Anzeigefläche hin.
Alex schaut sich um, winkt einem Fahrrad-Rikscha.
Hessa klettert, gefolgt vom ihm, an Bord.
Auss. eisbachwellE – abend
ALEX und HESSA kommen leicht abschüssigen Fußweg von der Prinzregentenstrasse herunter.
PARTY-MUSIK
Das FILMTEAM steht verstreut um eine improvisierte Essensstation (Grill mit Bratwaren – Biergartentisch-Buffet -Getränke)
Hessa gefällt die ausgelassene Stimmung, auf die sie hinunterblickt.
Sie folgt Alex unter die Leute.
Sie beobachten die SURFER, welche – einer nach dem anderen – vom gegenüberliegenden Ufer mit ihren Brettern auf die Welle springen und sich zu halten versuchen.
PRINZREGENTENSTRASSE
Taxi fährt vor, welches auf dem Dachgepäckträger ein Surfbrett hat.
Heraus steigt ABDULLAH in einem Neoprenanzug.
Der FAHRER hilft ihm, das Surfbrett hinunter zu hieven.
Damit klettert Abdullah in Richtung den aufgereihten SURFER, die warten, dass die Welle für sie frei wird.
Da erregt etwas seine Aufmerksamkeit – am anderen Ufer . . .
Dort steht Hessa neben Alex, halb verborgen hinter anderen Schaulustigen. Sie lachen, als einer der Surfer von der Welle ins Wasser fällt.
Abdullah reckt den Hals, um im Halbdunkel besser sehen zu können.
Hessa verfolgt gespannt, wie der nächste Surfer auf die Welle springt.
Abdullah klettert mit seinem Brett wieder hoch in die Richtung, aus welcher er gekommen war.
Hessa erschrickt, als einer der Surfer einen Purzelbaum in die Wellen macht. Hält sie kurz an Alex fest.
Diese blickt zu ihr, etwas länger.
HESSA
Hallo.
Alex
Hallo.
HESSA
Deine Freundin sollte dich nicht einfach so rumlaufen lassen.
ALEX
Meinst du?
HESSA
Du hast dich jetzt einen Tag lang um mich gekümmert. Warum?
ALEX
Das war doch selbstverständlich.
HESSA
Ich habe bisher noch nie einen Mann getroffen, der so nett zu mir war, einfach so.
ALEX
Nicht der Rede wert.
HESSA
Und so selbstlos.
ALEX
Komm’, wir holen uns was zu trinken.
Am Buffet-Bierttisch steht die REGIEASSISTENTIN
ReGIEASSISTENTIN
(zu Hessa)
Micki! Schön, dass du’s geschafft hast. Wir haben uns schon gefragt, ob du kommst.
Das CONTINUITY GIRL hat leicht einen in der Krone.
CONTINUITY-GIRL
Hab’ doch gesagt, die kommt.
Jetzt ist auch die MASKENBILDNERIN da, untersucht Hessas Hals.
MASKENBILDNERIN
Die Brez’n ist noch da.
Hessa
Ja. Ich finde sie schön.
Sie zeigt auf Alex.
HESSA (NOCH)
Das ist Alex.
MASKENbildnerin
Wir kennen uns doch. Du bist auf der HFF, oder?
Alex
Erraten.
REGIEASSISTENTIN
(zu Hessa)
Willst du mal deine Aufnahmen sehen? Wir haben hinten einen Monitor.
HESSA
Ja!
Sie folgt der Regieassistentin, während Alex Smartphone KLINGELT.
Er holt es heraus.
I./A. lUXUSFAHRZEUG / autobahn – aBEND
PAUL am Steuer des schnell fahrenden Wagens.
PAUL
(in Freisprechanlage)
Alex? – Ich bin’s Paul. Wie sieht’s aus?
Auss. eisbachwellE – abend
Alex
(ins Smartphone)
Ja, sie ist noch bei mir.
(hört zu)
Alles in Ordnung, du rufst mich dann an, wo ich sie abgebe.
I./A. lUXUSFAHRZEUG / autobahn – aBEND
PAUL
(in Freisprechanlage)
Prima Job, Mann! Wir sind jetzt schon so was von reich. Die Tante glaubt inzwischen, dass ich ‘ne heiße Spur habe. Bis später!
Er lässt den Mikrophonhebel los und fängt an, gut gelaunt zu PFEIFEN.
Beugt sich etwas vor, um ein Hinweisschild besser zu sehen.
BLICK AUS DEM FENSTER DES LUXUSFAHRZEUGS
Autobahnschild: “Garmisch Partenkirchen 65 Kilometer”
Auss. eisbachwellE – abend
ABDULLAH stellt sein Surfbrett an einem Baum ab und mischt sich unter die Bergfest-GÄSTE.
HESSA, mit der REGIEASSISTENTIN vor einer kleinen Monitor-Gruppe hockend, winkt ALEX herüber.
Er macht sich auf den Weg.
Abdullah späht herum, wird abgelenkt von zwei LEICHT GEKLEIDETEN MÄDCHEN, die mit Bierflaschen vorbeiziehen.
Als Alex bei Hessa ankommt, zu ihr in die Knie geht – erblickt sie etwas in seinem Rücken, das sie in den Schatten eines Busches ausweichen lässt.
Sie weicht weiter zurück, verschwindet zwischen Büschen am Ufer des Eisbachs.
Abdullah schaut sich weiter um – zuckt schließlich mit den Schultern. Nimmt sich eine Bierflasche, trinkt davon.
Dann geht er runter zum Eisbach.
Er wird hineingeschubst – von einem Schatten, der kurz hinter einem der Büsche hervorschnellt.
Alex entdeckt dort – Hessa, die sich ängstlich versteckt.
AlEX
Was ist denn los?
Sie winkt ihn zu sich hinunter, flüstert ihm etwas ins Ohr.
Alex schaut sich daraufhin rasch um.
AlEX (NOCH)
(leise)
Er kommt zurück.
Im Hintergrund klettert Abdullah aus dem Eisbach.
ALEX (NOCH)
(dringend)
Dein Smartphone.
Hessa versteht nicht gleich.
ALEX (NOCH)
(leise)
Schnell!
Er versteckt es zusamen mit seinem in dem Busch.
Dann steigt er ins Wasser – zieht Hessa nach.
Aus sicherer Deckung beobachten sie, wie Abdullah am Ufer herumsucht – nichts findet.
Als er endlich weg ist, klettert Alex als erster zurück an Land und . . .
NAH
. . . klaubt die Smartphones aus dem Versteck.
AUSS. englischer garten / bank – nacht
ALEX hilft der pitschnassen HESSA, sich zu setzten, rubbelt sie leicht.
AlEX
Ich hoffe, dir ist nicht zu kalt.
HESSA
Geht schon.
Die beiden schauen sich an, müssen loslachen.
Plötzlich gibt Alex Hessa einen Kuss.
Sie schauen sich an. Ein Engel geht vorüber.
ALEX
Ich . . .
Es sieht für einen Moment so aus, als sie sich noch einmal küssen.
Alex merkt auf, als sich SCHRITTE aus der Ferne nähern.
AlEX (NOCH)
Ich glaube, wir verschwinden besser von hier.
Sie huschen davon.
Inn. schliessfächer – nachmittag
HESSA holt, beobachtet von Alex, die Einkaufstüte mit ihren Anziehsachen aus dem Schließfach.
INN. WOHNUNG ALEX / BADEZIMMER – nacht
HESSA vor dem Spiegel, wäscht das aufgemalte Tatoo von ihrem Hals.
Der Lippenring liegt auf der Ablage des Waschbeckens.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
ALEX holt sich gerade einen Kaffee aus der Maschine, stellt die Tasse neben sein und Hessas Smartphone, die wie ein Pärchen auf dem Küchentisch nebeneinander liegen.
Sein Smartphone meldet sich. Er nimmt es hoch.
AlEX
(ins Smartphone)
Paul. Ja, sie ist hier . . .
INN. WOHNUNG ALEX / BADEZIMMER – nacht
HESSA macht die Haare noch etwas zurecht.
Sie holt ihr schwarzes Überkleid aus der Tüte.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
HESSA erscheint in der Türe. Sie trägt jetzt ihr schwarzes Überkleid.
AlEX
Und das Drindl?
HESSA
Das lass ich besser hier. Wenn es dir nichts ausmacht.
ALEX
Stand dir aber gut. Solltest du öfter tragen.
HESSA
Wie eine richtige Bayerin?
ALEX
Ich bin auch kein Bayer. Die meisten Leute, die hier leben, sind aus anderen Teilen Deutschlands -der Welt . . . Kaffee?
Er schiebt ihr eine Tasse hin. Sie nimmt sie in beide Hände.
Schaut sich in der Küche um.
HESSA
Soll ich noch schnell was kochen?
ALEX
Ich fürchte, der Eisschrank ist leer.
Sie setzt sich, die Tasse vor den Bauch haltend.
AlEX (NOCH)
Müde?
HESSA
Nur ein bisschen.
ALEX
War ein anstrengender Tag.
HESSA
Ein wundervoller Tag.
Ihr Smartphone meldet sich. Hessa greift danach.
HESSA (NOCH)
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Ja? – Ich habe dir doch gesagt, dass ich pünktlich komme . . .
Sie erhebt sich und verlässt die Küche. Alex hört von dort ihre STIMME weiter auf Arabisch.
Dann – STILLE
Hessa taucht wieder in der Türe auf.
HESSA (NOCH)
Kann ich noch etwas Kaffee haben?
Alex gießt ihr nach.
HESSA (NOCH)
Tut mir leid, dass ich uns nichts kochen kann.
Alex
Was hättest du uns denn gemacht, wenn was im Kühlschrank gewesen wäre.
HESSA
Gulasch mit Auberginen – Salat von Kirchererbsen. Ich kann gut kochen. Ich könnte ein Restaurant aufmachen.
ALEX
Mein Vater hat ein Restaurant. Ich komme aus einer Familie von Wirten.
Sie schauen sich an – länger. Hessa nimmt mehrere Schluck aus ihrer Kafee-Tasse. Wendet sich ab.
HESSA
Ich muss jetzt gehen.
Alex weiß nicht, was er sagen soll. Sie erhebt sich.
INN. woHNUNG ALEX / FLUR – nacht
ALEX begleitet HESSA zur Wohnungstüre.
Die beiden umarmen sich.
AlEX
Hessa – ich muss dir etwas sagen.
Sie schüttelt den Kopf.
HeSSA
Nein, bitte, nichts sagen.
Er küsst ihr die Stirn.
HESSA (NOCH)
Ich muss jetzt gehen.
AlEX
Wohin denn?
HESSA
Ich weiß wohin. Lässt du mich gehen?
ALEX
Ich komme mit.
Inn. MVV-BUS – nacht
ALEX und HESSA in schwarzem Überkleid sitzen nebeneinander in dem fahrenden Bus.
Er wirkt nachdenklich, es arbeitet in ihm. Sie schaut kurz zu ihm herüber, dann wieder auf den Boden.
HESSA
Nächste Station muss ich aussteigen.
AlEX
Ja, gut.
AUSS. TANKSTELLE – NACHT
Auf dem abseits der Zapfsäulen Parkplatz wartet das Luxusfahrzeug. PAUL mit Chauffeursmütze lehnt an der Kühlerhaube, raucht eine Zigarette.
Im hinteren Teil des Wagens sitzt umrisshaft AMNA (Hessas Kusine).
Inn. MVV-BUS – nacht
Der Bus wird langsamer.
Alex
Hier?
HESSA
Ja.
HESSA steigt aus. ALEX folgt ihr.
AUSS. TANKSTELLE – NACHT
Der Bus fährt weg, HESSA blickt die Straße hinauf zu der Tankstelle, dem wartenden Luxusfahrzeug.
HESSA
Der Wagen da hinten wartet auf mich. Da muss ich jetzt hin. Versprich mir bitte, dass du mir nicht folgen wirst. Du verlässt mich jetzt, so wie ich dich verlasse.
Alex nickt.
AlEX
Ja, gut.
HESSA
Ich kann nicht Lebe wohl sagen, ich finde nicht die Worte.
ALEX
Lass nur, sag nichts.
Sie umarmen sich – küssen sich noch einmal.
Hessa schaut zu der Tankstelle. Macht sich von Alex los und weicht davon in Richtung der Tankstelle.
Alex sieht parallel, wie PAUL sich dort von dem Wagen entfernt und auf die Service-Räume der Tankstelle zugeht.
TOILETTEN
Paul kommt aus den Toiletten, erblickt Alex.
PAUL
(erschrocken)
Du?
ALEX
Ich hab’ sie hier her begleitet.
PAUL
Wen?
ALEX
Du weißt schon.
PAUL
Du solltest sie zum H o t e l bringen!
ALEX
Der Passagier, auf den du hier wartest . . .
PAUL
Das ist sie?
ALEX
Die Familie denkt, dass sie den Tag über bei ihrer Kusine in der Klinik war. Das muss auch so bleiben.
PAUL
Hey, und unsere Kohle?
ALEX
Die können wir vergessen.
PAUL
Hast du sie noch?
ALEX
Paul, wenn ihre Familie, vor allem der Vater mitbekommt, dass sie nicht bei ihrer Kusine war, dann passiert ein Unglück. Kannst du dir das nicht denken?
Paul vermeidet es zu nicken.
PAUL
So eine Scheiße.
ALEX
Wenn dich einer fragt, bestätige, dass du die beiden aus der Klinik abgeholt hast.
PAUL
Ich glaub’s nicht.
AlEX
Du musst es mir versprechen. – Paul.
PAUL
Und wenn ich’s nicht tu?
AUSS. noBEL-HOTEL – nacht
Zwischen Limousine und Luxusfahrzeug parkt eine Mercedes-Spezialanfertigung.
ABDULLAH (off)
(Arabisch – mit Untertiteln)
Er lügt!
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – nacht
NAH
Etwas wird diskret in eine Jackentasche gesteckt.
SULTAN sitzt wie ein Richter in seinem Stuhl, flankiert von NOURA und AMNA. Ihm gegenüber: MEHMET und PAUL – ABDULLAH zeigt auf HESSA.
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Ich habe sie gesehen – in einem Dirndl – auf einer Party bei dem schnellen Fluss im Englischen Garten . . .
Hessa
(Arabisch – mit Untertiteln)
Wo habe ich denn ein Dirndl?
(zu Sultan)
Durchsucht doch mein Zimmer.
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Das hat sie inzwischen versteckt.
Amna
(Arabisch – mit Untertiteln)
Unsinn, sie war die ganze Zeit bei mir.
Noura wendet sich an Paul.
NOURA
When you picked up this one tonight . . .
(zeigt auf Amana)
. . . was this one . . .
(zeigt auf Hessa)
. . . with her?
Paul schaut auf Amna – Hessa – Abdullah – dann wieder auf Hessa – Noura.
PAUL
(. . .)
Yes.
ABDULLAH
(Arabisch – mit Untertiteln)
Er ist ein Lügner! Erst bestiehlt er uns, und dann lügt er.
(zu Paul)
Thief! Give me my wallet!
PAUL
Hä?
Abdullah greift in Pauls Jackentasche und holt – ein Portemonnaie daraus hervor.
ABDULLAH
(mit dem Portemonaie wedelnd)
He stole this, he’s a liar.
Mehment
But you just put it in his poket, I saw.
ABDULLAH
Shut up!
MEHMENT
Du hast wohl einen an der Waffel.
Gerangel zwischen den beiden.
Sultan
Stop!
(lauter – arabisch)
Aufhören!
Die Kampfhähne schauen ihn verdattert an.
AUSS. noBEL-HOTEL – nacht
PAUL und MEHMET kommen aus dem Eingang.
MehMENT
Die Araber spinnen.
PAUL
Das kannste laut sagen.
MEHMENT
Wieso war der denn so sauer auf dich?
PAUL
Keine Ahnung.
Sie gehen an ihre Fahrzeuge, Mehmet an die Limousine, Paul an das Luxusfahrzeug.
Mehmet
Wer fährt die jetzt morgen zum Flugplatz.
PAUL
Wieso?
MEHMET
Na, ich geh nicht nochmal da rauf, und dein Gesicht will auch keiner mehr sehen.
PAUL
Ich kümmere mich schon darum.
MEHMET
Was hatte der Bruder denn gehen dich?
PAUL
Ist doch egal. Ich kümmere mich um einen Fahrer. Der bringt sie zum Flughafen, dann ist Ruhe im Karton.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
Smartphone auf dem Tisch WACHT AUF in die Nacht.
INN. woHNUNG ALEX / FLUR – nacht
ALEX kommt aus dem Badzimmer, nasses Haar, Handtuch um die Hüften.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
Smartphone auf dem Tisch – ALEX nimmt es auf.
Will es schon zum Ohr heben – als er etwas bemerkt.
AlEX
Verdammt.
Er hebt das Gerät ans Ohr.
AlEX (NOCH)
Hessa?
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht
HESSA liegt auf ihrem Bett.
Hessa
Alex, wir haben unsere Telefone verwechselt.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
Alex
Ja, ich merk’s gerade auch.
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht
Hessa
Was machen wir denn jetzt?
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
Alex
Ich lass mir was einfallen. Ich …
Er blickt sich um.
AUSS. woHNHAUS ALEX – nacht
Die Luxusfahrzeug schlängelt in die Straße.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
Alex
(ins Telefon)
Ich kümmere mich drum, versprochen.
Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht
HESSA “legt auf”.
Dann bemerkt sie etwas an dem Telefon, schaut nochmal nach.
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Lauter reizende Fotos von HESSA, die Alex untertags heimlich aufgenommen haben muss.
AUSS. woHNHAUS ALEX – nacht
Das Luxusfahrzeug parkt präzise ein.
PAUL steigt aus. Seine Chauffeursmütze sitzt schief. Er ist betrunken.
Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht
ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS TELEFON
Lauter Fotos von ALEX.
Dieser blickt auf von der Sichtung, als es an seiner Türe KLINGELT.
Inn. wohNUNG ALEX / FLUR – NACHT
ALEX öffnet die Türe.
ALEX
Paul. Was ist los?
PAUL
(lallt)
Du schuldest mir was, Mann.
ALEX
(erfreut)
Du hast dicht gehalten!
PAUL
Und was hab’ ich jetzt davon? Einmal in die Röhre gucken und zurück.
Paul fällt ihm in die Arme.
PAUL (NOCH)
(lallt)
Kann ich heute bei dir pennen? Ich kann mich zu Hause so nicht sehen lassen.
alex
Geht in Ordnung.
PAUL
Und dann musst du mir noch einen Gefallen tun.
AlEX
Klar Mann, alles, was Du willst.
Paul nimmt seine Chauffeursmütze ab und setzt sie Alex auf.
AUSS. Oktoberfest – nacht
Die Lichter des Riesenrades gehen aus.
AUSS. STRASSEN – NACHT
Nachtleeres München – einzelne BETRUNKENE lärmen.
Inn. wohnunG ALEX / flur – nachts
Durch offene Zimmertüre sieht und HÖRT man PAUL schlafen.
Inn. wohnung ALEX / KÜCHE – nachts
ALEX sitzt im Dunklen am Tisch, die Chauffeursmütze auf dem Kopf.
Seine Gesicht wird erhellt durch die leuchtende Anzeigefläche von Hessas Smartphone, dessen Inhalt er durchschaut.
Man hört, wie die Wohnungstüre AUFGESCHLOSSEN wird.
StEFFI (off)
Wer ist das denn?
STEFFI erscheint in der Küchentüre mit ihrem Trompetenkoffer.
ALEX steckt das Handy weg.
Alex
Steffi.
STEFFI
(Kopfbewegung)
Wer ist der Typ?
ALEX
Ein Freund.
STEFFI
Was für ein Freund?
ALEX
Wir schulden uns was.
(bevor sie weiter fragen kann)
Kann ich dir das morgen erklären? – Was bist du überhaupt schon hier?
STEFFI
Der Gig heute ist ausgefallen. Dafür geht’s morgen bis 6 Uhr früh. Ich bin hundemüde.
Sie kommt, um ihm einen Kuss zu geben. Nimmt seine Chauffeursmütze vom Kopf.
Steffi (NOCH)
Was ist das denn für eine Mütze?
Alex
Gibt her, die brauch’ ich morgen.
Sie zieht die Mütze ein paarmal scherzhaft weg, bevor er sie schnappen kann.
Alex bekommt sie schließlich zu fassen.
Steffi
Gute Nacht.
ALEX
Gute Nacht. Ich komm gleich nach.
Sie lässt ihn alleine zurück.
Er holt das Smartphone Hessas hervor, das noch nachglüht, und stellt es ab.
Inn. Nobel-hotel / eingangshalle – tag
PAGEN transportieren das Gepäck zum Ausgang.
Gefolgt von SULTAN, ABDULLAH – AMNA, NOURA, HESSA in schwarzen Überkleidern und gesichtsverschleiert.
AUSS. nOBEL-HOTEL – tag
Bei dem Luxusfahrzeug wartet mit Chauffeursmütze ALEX.
Er hilft den PAGEN beim Einladen der Koffer.
I./A. luXUSFAHRZEUG – tag
SULTAN, ABDULLAH, AMNA, NOURA und HESSA nehmen Platz im weiträumigen Rücksitz-Bereich.
ABDULLAH
(zum einsteigenden Alex)
We can go, now.
AlEX
Airport.
ABDULLAH
Yes, international departures.
Alex setzt den Blinker – fährt los.
Er schaut zum inneren Rückspiegel.
RÜCKSPIEGEL
Hessas Augen über dem Schleier.
SPÄTER
Fahrt jetzt über die Autobahn.
Sultan
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Es sieht aus wie das Paradies – ein See, umgeben von schneebedeckten Bergen.
NOURA
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Und der Weg durch grünen Wald zu dem Wasserfall, etwas Schöneres gibt es nicht. – Und in der Innenstadt gibt’s überhaupt keine Autos.
ABDULLAH
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Am schönsten ist Zell am See.
HESSA
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Ich fand München schöner.
ABDULLAH
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Klar, weil du hier wie wild einkaufen konntest.
HESSA
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Das Shopping ist mir doch vollkommen egal.
ABDULLAH
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Was fandest du denn dann so toll an München?
Sie wechselt einen Blick mit Alex über den Rückspiegel.
HESSA
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Die Straßenmusiker.
ABDULLAH
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
Was denn für Straßenmusiker?
HESSA
(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)
In der Fußgängerzone. – Das verstehst du nicht.
Inn. flughafen / RESTAURANT-Bereich – tag
SULTAN, ABDULLAH, AMNA, NOURA und HESSA sitzen an einem Tisch.
ALEX beobachtet sie aus der Ferne.
Die BEDIENUNG ist im Begriff, die Bestellungsaufnahme abzuschließen, entfernt sich.
Alex hat Hessas Smartphone in den Hand. Tippt eine Nummer.
In Hessas Handtasche MELDET sich Smartphone. Sie zieht es heraus.
ANZEIGEFLÄCHE
Eine SMS ist angekommen.
Wir sehen, wie Hessa den Inhalt liest. Dann steckt sie das Gerät wieder weg.
Alex beobachtet, wie sie noch etwas am Tisch sitzen bleibt – sich dann erhebt und davon strebt.
WC-TÜREN
Hessa nähert sich dem Damen-Eingang.
ALEX (O.S.)
(leise)
Hessa!
Sie erkennt ihn in der Deckung einer Trockenpflanzen-Dekoration, kommt herüber.
Rasch tauschen sie die Smartphones.
AlEX (NOCH)
Das ist ja noch mal gut gegangen.
HESSA
(leise)
Ja.
Er sieht in ihre schönen Augen über dem Schleierrand.
ALEX
Dann wünsch’ ich dir einen guten Heimflug. – War lustig gestern, oder?
HESSA
Ja . . .
Als sie ihm zunickt, hat sie Tränen in den Augen.
Dann kehrt sie Alex den Rücken und geht . . .
. . . verschwindet zwischen den MENSCHEN in der Flughafen-Lobby.
Alex schaut noch eine Weile auf die leere Stelle, wo sie gestanden hatte.
Dann geht er langsam durch die Abflughalle.
Er dreht sich noch einmal traurig um – bevor er durch die Drehtüre ins Freie tritt.
ENDE