Der Eingeweihte findet Unwissenheit gut, befördert sie doch die Niederlage politischer Gegner, die Gesundheit des Kosmos und den Triumph der neoliberalen Marktgesellschaft.
Friedrich August von Hayek, der geistige Vater des Neoliberalismus, verachtete Wissenschaftler und Experten, die er für bezahlte Apologeten hielt. In seinen Augen war es unmöglich, die Klugheit des einzelnen zu fördern.
In Der Weg zur Knechtschaft schreibt er:
Die Weigerung, uns Kräften unterzuordnen, die wir weder verstehen noch als bewusste Entscheidung eines vernunftbegabten Wesens anerkennen, ist die Folge eines unvollständigen und daher in die Irre gehenden Rationalismus . . . Er ist unvollständig, da er nicht einsieht, dass die Abstimmung der mannigfaltigen Wirtschaftsakte der Individuen in einer komplexen Gesellschaft Tatsachen berücksichtigen muss, über die kein Einzelwesen einen vollkommenen Überblick hat. Ebenso wenig erkennt dieser Rationalismus, dass es … keine andere Möglichkeit gibt, als sich entweder den anonymen und anscheindend irrationalen Kräften des Marktes zu unterwerfen oder aber einer ebenso unkontrollierbaren und deshalb willkürlichen Macht anderer Menschen. S. 254 f.
Bildung besteht nicht in der Vermittlung von Wissen, sondern darin zu lernen, die unendliche Weisheit des Marktes passiv hinzunehmen. Wissenschaftler müssen mehr Demut und eine richtige Einstellung anstelle von Zahlen und Fakten lernen.
In Verfassung der Freiheit schreibt er:
Zivilisation beginnt, wenn der Einzelne in der Verfolgung seiner Ziele mehr Wissen verwerten kann, als er selbst erworben hat, und wenn er die Grenzen seines Wissens überschreiten kann, indem er aus Wissen Nutzen zieht, das er nicht selbst besitzt. S. 464
Unwissenheit muss daher nicht überwunden, sondern erzeugt werden. Nur die unbeabsichtigten Folgen gesellschaftlichen Handelns sind als allgemeinwohlförderlich zu begrüssen – der Garant des Allgemeinwohls ist die Unwissenheit. Organische Solidarität kann nur entstehen, wo der einzelne meint, eigennützige Interessen zu verfolgen, am besten noch ohne sich seines Tuns inne zu sein, wodurch er segensreiche, jenseits seines Horizonte liegende Regelmäßigkeiten reproduziert
Man muss Unwissenheit fördern, nur diese dient dem Markt, indem er Wissen nutzt, das nur der einzelne nicht besitzt.