Die Frage taucht immer mal auf, ob ich religiös bin. Ich neige zur Antwort, dass ich zögere, ein Gesamturteil übert das Wesen und Werden einer Welt abzugeben, die mich täglich überrascht. Ich interessiere mich wenig für Metaphysik, halte sie irgendwie für neurotisch. Zugleich kommt es mir so vor, wie wenn der Alltag Risse hat, durch die etwas Herrliches scheint, das “nicht von dieser Welt” ist. Bei Joyce heißen solche Momente Epiphanien. Ich erlebe sie immer mal wieder. Das letztemal ausgerechnet beim Zahnarzt. Ich musste an der Rezeption warten, weil eine Sprechstundenhilfe ihre neue Kollegin in den Computer einwies. Die Interaktion der beiden hatte etwas Faszinierendes, innig und mit jedem Schritte wackelnd aufbauend, was vorher nicht da oder latent war. Man konnte ahnen, dass die Lernende bald besser sein würde als ihre Lehrerin. Ich hatte am Tag noch mehrmals daran zurück gedacht. Später wurde mir dann ein widerspenstiger Zahn gezogen, und die Ärztin kam irgendwann nicht weiter, ein verschwitzter Kollege wurde konsultiert. Gemeinsam konnten sie das Problem endlich lösen. Fabelhaft.
Ausgerechnet beim Zahnarzt
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