Wittgenstein über das Denken

Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit “Gedanke” das Lebende am Satz. Das, ohne welches er tot, …eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist. Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d.h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet, was könnte ich da nicht alles meinen! Die Regeln die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen, die besonderen Erlebnisse die wir mit solchen Spielstellungen verbinden, den Nutzen des Spiels. Oder wenn wir von einem Etwas sprächen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet & ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt! ZETTEL 143


Meine Deutung

Nebeneinander gehalten werden hier eine Lautfolge, eine Zusammenstellung von Holzklötzchen und bedruckte Zettel, die alle drei bedeutungslos sind, wenn nicht “etwas” hinzukommt – im Falle der Lautfolge ein Denken, das sie zum Satz macht, im Falle der Holzklötzchen entweder Regeln oder die Gefühle von Spielern oder der Nutzen der Spiels, der sie zu Schachfiguren macht, im Falle der Zettel “etwas”, das sie zu Geld macht. Aber dass “etwas” hinzukommt, stimmt insofern in keinem der Fälle, als dass es keinesfalls wieder abgezogen werden könnte und weiter bestünde. Man kann nicht das Denken abgesondert vom Körper betrachten oder vor sich haben – oder die Schachregeln unabhängig von den Holzstückchen – Geld ohne den Gegenstand, den es bewegt. Der zentrale Begriff ist hier, nehme ich an, die Lebendigkeit: in ihr besteht das Denken, das Schachspiel sowie das Geld. Was unterscheidet das Lebendige vom Toten? Es reagiert, antwortet in einer Weise, die nicht unvorhersehbar ist. Leben besteht somit immer im Zusammenspiel – der Organe im Körper, der Körper untereinander usf. Der organisch-soziale Verlauf ist die Quelle von Bedeutung, das Denken schlechthin, welches daher kein Merkmal des Gehirns, sondern des Menschseins ist.