Ich war füher ganz gern nach Tunesien gefahren, aber aus irgendeinem Grund wurde ich dort einmal für einen Juden gehalten. Seitdem sehe ich das Land mit anderen Augen. Nach Toezur war ich bevorzugt geflogen, wo Saddam Hussein seinen Jumbo-Jet auf dem Flugplatz “versteckt” hatte in den Wirren des Golfkriegs, und weiter gefahren in die Oasenstadt Nefta, in deren Nähe Star Wars gedreht wurde. Wie fast alle Deutschen liebe ich die Wüste, die es bei uns nicht gibt. In Nefta lebte ich über dem Städchen in einem der moderneren Hotels und ging meinen Projekten nach, von denen ich glaubte, dass sie sich im Sonnenlicht besser entwickeln. Das Schwimmbecken war leider versandet, aber nicht weit befand sich ein Luxushotel, dessen Pool man nutzen konnte, wenn auch die Bar in Anspruch genommen wurde. Viel war nicht los, die einzige Gästin zum Anfreunden: eine französische Atomphysikerin, welche die rigorose Kraftwerk-Strategie ihrer Heimat mit betreute und nicht müde wurde, mir vorzurechnen, wie an der Atomkraft kein Weg vorbeiführe. Sie hatte weiter auch Anekdoten zu Frankreichs Energie-Situation und -Ausblicken auf Lager: z. B. würde der französische Staat Ackerbau-Pferde vorrätig halten für den Fall, dass die Ölversorgung einmal zusammenbreche. Später leistete uns noch öfter ein homosexueller Englischlehrer mit Klumpfuß im Pool Gesellschaft, der sich der Horaz-Sentenz “Carpe Diem” verschrieben hatte und nicht müde wurde, sie uns in mehreren Sprachen zu erläutern. Ein kaum illustres, aber alles in allem von der Wirklichkeit der Oase abgehobenes Beisammensein. Stieg man hinterunter zwischen deren Häuser, wurde alles ein bißchen einfacher, aber nicht so arm, wie ich es aus anderen Weltgegenden kannte. Ich stromerte durch die Dünen am Ortrand mit einem Hörbuch auf den Ohren (Rasolnikov, wenn ich mich recht erinnere) und landete von ungefähr in der kleinen Apotheke des Ortes, um meinen Ibo-Vorrat aufzufrischen. Der Apotheker witterte in mir den Ko-Intellektuellen, und wir sprachen über Gott und die Welt. Natürlich war bald der Nahe Osten dran, und mein Gesprächspartner meinte unbekümmert, die Juden gehörten ausgerottet (“Il faut les écraser!”). Mein sportliches Mitnicken geriet ins Stocken, seine Redefluß ebenfalls, und er schaute mich mit hinterlistiger Angst an: “Du bist doch keine Jude?” Ich rapportierte der Wahrheit gemäß und weiter dann über die Folgen des Versuches für mein Land, die Juden auszurotten. Es klang aber lahm, die Situation war zersetzt, etwas Konstruktives wollte mir nicht eifallen. – Ich war später interessehalber auch mal Israel, fand das Volk sehr militärisch geprägt, auch im Umgangston, der dem deutschen gleicht. Aber hinterlistig sind die Israelis nicht, und sie wollen auch niemand ausrotten wie jene, die sich davor fürchten, weil ihnen der Gedanke, muss man meinen, weniger fremd ist.
Du bist doch kein Jude
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