Zitat 1: Die Häusler besaßen keine Felder, noch weniger das Gesinde. Sie lebten, ihrem Schicksal stumm ergeben, auf den Pusztas. So entnehmen wir aus einem Gesuch der Angestellten eines der größten Herrschaftsgüter, daß die Frauen wegen der Kälte und des beschwerlichen Aufstieges auf vereisten Wegen mit dem Säugling auf dem Rücken sich weigerten, die Schweinedärme im Winter im Freien zu waschen, und baten, die Arbeit in ihren Häusern verrichten zu dürfen. Eine sehr bezeichnende Bitte an die Herrschaft und die Verwalter im Jahre 1514, die ähnlich auch heute noch vom Gesinde gestellt werden könnte.
Zitat 2: Großvater schrieb mit Recht die Veränderung den Eisenbahnen zu; ferner der Unersättlichkeit der Menschen, der Pfennigfuchserei, die selbst die Grafen befiel. Er war kein Freund der Veränderungen und meinte, sie hätten, so weit seine Erinnerung reichte, stets nur Unglück über die Menschheit gebracht. Denn wie war es eigentlich früher? Vorher waren die Pusztabewohner Hirten und verbrachten ihre Zeit faulenzend draußen in der Sonne oder in den Stallungen. Durch Eile brauchten sie ihre Beine nicht anzustrengen. Der Großgrundbesitzer produzierte nur die zur Ernährung des Gesindes notwendige Menge von Weizen. »In meiner Kindheit gab es hier überhaupt keinen Acker.« Sensen? Die hat er nie berührt, höchstens versuchsweise. »Es gab Schäferei und Viehwirtschaft; Dung gab es so viel, daß er gar nicht auf die Felder getragen, sondern verheizt wurde. Die Gegend war eine große Weide.« Das Gesinde hatte freie Viehhaltung. »Niemand fragte, von woher die Kuh des Janos fett wurde, oder nach dem Futter der Hühner und Enten deiner Frau.« Zu essen gab es in Hülle und Fülle. »Ein Ochse wird lahm? Schlachtet und verteilt ihn unter das Gesinde. Auf mein Wohlergehen!« Denn damals waren die Herren auch noch richtige Herren, das heißt, daß sie sich mit Kleinigkeiten nicht abgaben. Ein Graf Zichy verweigerte einem seiner Buchhalter die Pension mit der Begründung: »Warum hat er sie sich nicht beizeiten zusammengetragen? Ich habe ihm den Mund nie zugebunden.« Großmama verkaufte jährlich auf dem Markt von Ozora für 300 Gulden Butter, Hühner, Eier und Fett. Es gab Markttage, auf die sie bis zu 25 junge Schweine trieb. Wenn Viehhändler auf eine Puszta kamen, um einzukaufen, so besichtigten sie zuerst die Tiere des Gesindes, die besser ernährt waren als die herrschaftlichen. Bekanntlich haben die Großgüter auf dem Gebiet der intensiven Bewirtschaftung vieles vom Gesinde gelernt, so die Schweinemast, die Milchwirtschaft, die Imkerei und neuerdings die Verwertung der Eier. Die Menschen als solche waren auch besser. Man hörte weniger häßliche Worte. Mann oder Frau trugen ein Kleid ihr Leben lang. Die Menschen waren so gesund, daß sie in der Küche oder meist im Freien nächtigten. Im Zimmer schliefen nur Kranke. Dann kam die Eisenbahn, und alles ging zum Teufel. -— Soweit Großvater.
DIE PUSZTA Kapitel 5 – Vergangenheit der Pusztas. Bauern, Häusler und das Gesinde in der Geschichte. Gedanken der Nachkommen über die Vergangenheit.
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