Zitat 1: „Auf die Nachricht von der Verlobung meines Vaters wollte man auch meine Mutter verheiraten. An Freiern fehlte es ja nicht, denn die Schwestern waren gut beleumundet und begehrt. Zu dieser Zeit beging sie angeblich den Selbstmordversuch. Plötzlich erschien mein Vater auf der Puszta und benahm sich so höflich und bescheiden, daß die Eltern meiner Mutter — die sich im Grunde genommen doch nicht in lebenswichtige Entscheidungen ihrer Kinder einmischen wollten — ihn mit Handschlag als Bräutigam anerkannten. Einige Monate später wurde meine Mutter am Brunnen beim Wasserholen von einem fremden Mann angesprochen und gefragt, ob sie »die Gewisse« wäre. Sie sprachen eine Zeitlang miteinander — es war mein Großvater. So sehr sie ihn auch drängte, das Haus seines zukünftigen Gegenvaters wollte er nicht betreten. »Schau, meine Tochter«, sagte er, »ich habe dir zehn Gulden mitgebracht. Ich dachte mir, daß ich sie dir gleich als Verlobungsgeld geben will, wenn du mir gefällst«, und damit drückte er meiner Mutter ein Goldstück von zwanzig Kronen in die Hand. Meine Mutter nahm das Goldstück an, nicht ohne bei dieser biblischen Szene in Tränen auszubrechen, so sehr beeindruckte sie dieser Mann. Schweigend standen sie nebeneinander. »Ich gebe dir noch ein zweites Goldstück, denn eigentlich habe ich zwanzig Gulden mit gebracht. Du sollst es aber niemanden sagen, meine Tochter.« Meine Mutter verwahrte die beiden Goldstücke und opferte sie im Weltkrieg dem Vaterland: »Gold gab ich für Eisen.«
Meine Mutter war schön, von einer frischen, mädchenhaften Schönheit mit leicht tatarischem Einschlag, glatter, feiner Haut und freundlichem Blick. Als Kinder waren wir schon daran gewöhnt, und wir warteten sogar belustigt darauf, daß man sie, wenn wir an einem fremden Ort zu Besuch waren, für die ältere Schwester hielt. Diese Verwechslung war die Quelle mancher belustigenden Situation und bereitete ihrem kindlichen Gemüt großen Spaß.
Mein Vater, der zudem etwas prahlerischer Natur war, führte mit geschwellter Brust seine schöne junge Frau in das väterliche Heim. Er selber hatte es ja nicht weit gebracht, aber welchem von den anderen Söhnen war es gelungen, eine so feine, kluge und gute Frau zu gewinnen? Sie war die Entschädigung für so manche Enttäuschung des Lebens. Die schwerfälligen Nebander Schwäger und Vettern umschnüffelten die zierliche junge Verwandte zuerst mit Mißtrauen, um nur zu bald vor Freundschaft und Liebenswürdigkeit zu zerfließen. Meine Mutter hatte gewonnenes Spiel.“
Zitat 2: „Die neue Katze wurde zu Hause vor den Spiegel gestellt, damit sie sich nicht für die einzige Katze im Haus hielt und sich leichter an die ungewohnte Umgebung gewöhnte.“
DIE PUSZTA Kapitel 4 – Zwei Familien – zwei Gegensätze – zwei Pusztas. Die Religion der Puszta. Die Alten.
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